

TOM
WOLFE
FEGEFEUER
DER
EITELKEITEN
Am
Ende gibt es fast nur Verlierer
Als typischer Vertreter des mit fiktiven Elementen
angereicherten ‹New Realism› erzielte der erfolgreiche US-amerikanische
Journalist Tom Wolfe mit seinem Debütroman «Fegefeuer der Eitelkeiten» auch in
fiktionalen Gefilden einen Durchbruch als Romancier. Dieser Bestseller gilt als
der bekannteste und wichtigste seiner vier Romane, er wird zudem neben «American
Psycho» auch als exemplarischer New-York-Roman der 1980er Jahre angesehen. Sehr
früh schon wurde er mit Tom Hanks und Bruce Willis in den Hauptrollen auch
verfilmt. Der Plot ist während des Börsenbooms in der Regierungszeit von
Präsident Ronald Reagan angesiedelt. Thematisiert wird die aus dem extremen
Materialismus resultierende, moralische Verwahrlosung der US-amerikanischen
Gesellschaft, für die gerade der Moloch des Big Apple einen idealtypischen
Schauplatz darstellt. Der Romantitel spielt auf den berühmten Bußprediger
Girolamo Savonarola an, der Jugendliche in Scharen durch Florenz ziehen lies, um
alles zu beschlagnahmen, was im religiösen Sinne als eitel und unzüchtig galt, -
und somit also auch als Beleg für die Verkommenheit des Menschen. All das
gesammelte Teufelszeug, Bücher und Bilder vor allem, wurde in den Jahren 1497/98
als Zeichen der Reue auf riesigen Scheiterhaufen öffentlich verbrannt.
Der mit Prolog und Epilog in 31 Kapiteln erzählte,
dickleibige Roman beginnt mit
detaillierten Schilderung einer total aus dem Ruder
gelaufenen Veranstaltung des New Yorker Bürgermeisters. Der wichtigste
Protagonist dieses Plots ist der neureiche, 38jährige Börsenmakler McCoy, der
mit hysterischer Frau und verwöhnter Tochter in einer pompösen Wohnung an der
Park Avenue wohnt. Er ist ein elitärer Vertreter des ‹White Anglo-Saxonian
Protestant›, der sich mit seiner Geliebten aus den Südstaaten in einer
angemieteten kleinen Wohnung als Liebesnest trifft. Gegenpart ist der in jeder
Hinsicht frustrierte Staatsanwalt Kramer, dessen einst attraktive Frau ihn mit
der Geburt eines Kindes für immer an die Familie gebunden hat. Und damit hat sie
auch seine Bodybuilder-Ambitionen durchkreuzt und ihn, wie er glaubt, für fremde
Frauen unattraktiv gemacht. Er hadert aber auch damit, dass er zu wenig
verdient, und beneidet seine ehemaligen Studienkollegen, die längst in
Anwaltskanzleien Karriere gemacht haben und nun geradezu im Geld schwimmen. Ein
weiterer Protagonist ist der britische Journalist Fallow, der wenig erfolgreich
bei einer New Yorker Boulevardzeitung arbeitet und sich durchschnorrt bei
allerlei Veranstaltungen.
Eines Abends holt McCoy seine Geliebte vom Flughafen ab,
verirrt sich dabei in der Bronx und wird dort in einer Auffahrt auf den Highway
von zwei farbigen Jugendlichen gestoppt, die ihn ausrauben wollen. Als seine
Geliebte, die sich bei seiner Rangelei mit den Ganoven ans Steuer gesetzt hat,
in Panik losfährt, berührt der Mercedes einen der beiden, der dadurch umgestoßen
wird. Sie begehen Fahrerflucht und melden den Unfall auch später nicht, da das
nur zu Komplikationen führen würde. Die Frau von McCoy kommt ihm schließlich mit
der Geliebten auf die Schliche, und ein Erfolg versprechender Wertpapier-Deal,
mit dem er seine finanziellen Probleme zu beenden hofft, scheitert kläglich. Ein
Reverend macht den Unfall mit Hilfe des Journalisten Fallow zu einer Sensation,
eine Hexenjagd auf McCoy beginnt. Der Polizei ist es nämlich gelungen, ihn als
Besitzer des Mercedes-Sportwagens und mutmaßlichen Fahrer zu identifizieren, und
Staatsanwalt Kramer erhofft sich von dem spektakulären Prozess einen
Karriereschub. Am Ende aber gibt es fast nur Verlierer!
Dieser spannende Roman ist in einem journalistisch knappen,
nüchternen Stil geschrieben, wobei die vielen protokollartig anmutenden Dialoge
und die Passagen mit erlebter Rede durch ihren satirischen Ton gekennzeichnet
sind. Sehr gelungen sind auch die verschiedenen Jargons, in denen da geredet
wird, der Slang von Polizei und Justiz wird geradezu parodiert, und auch das
Fachchinesisch der Börsenmakler und die Idiome der schwarzen Ghettobewohner sind
stimmig. Eine bereichernde Lektüre mithin, bei der es einem über mehr als
neunhundert Seiten hinweg nie langweilig wird!
5*
erstklassig - Bories
vom Berg - 8. Juni 2025

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