MONICA ALI
BRICK LANE
Prekär
wie die gleichnamige Straße
Ihr Debütroman «Brick Lane» hat die britische
Schriftstellerin Monica Ali auf einen Schlag berühmt gemacht, er wurde
2003 für den Booker Prize nominiert und löste einen entsprechenden Hype
aus, der sich in Deutschland allerdings nicht wiederholte, ganz im
Gegenteil. Der 2007 verfilmte Roman wurde vom britischen Feuilleton
positiv kommentiert, führte jedoch auch zu erregten Debatten, an denen
sich sogar Salman Rushdie vehement beteiligte. Es ging dabei allerdings
nicht um die literarische Qualität, sondern um seine Thematik,
Immigration ist schließlich ja nicht nur in Großbritannien ein Reizthema
par excellence. Die Autorin mit bengalischem Vater und englischer Mutter
verdeutlicht schon mit dem Titel ihres Buches, worum es geht. Die reale Brick Lane in Londons East End, knapp zwei Kilometer lang, liegt in der
prekären Gegend von ‹Tower
Hamlets›,
einer Art ‹Klein-Indien›,
sie bildet den Mittelpunkt im Viertel der Immigranten aus Bangladesch.
Erzählt wird die Geschichte von Nazneen, die als
18jährige Bengalin von ihrem Vater mit dem zwanzig Jahre älteren,
behäbigen Chanu verheiratet wird und aus einem kleinen Dorf in
Bangladesch zu ihm nach London geht. Sie ist völlig ungebildet, kann
kein Wort Englisch und ist in ihrer traditionellen Rolle als islamische
Frau strikt an das Haus gebunden, sie verlässt die winzige, armselige
Wohnung kaum. Wir haben es mit einem typischen Entwicklungsroman zu tun,
der erste Satz lautet denn auch: «Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten
bevor Nazneens Leben begann - es begann, wie es für einige Zeit auch
weitergehen sollte, das heißt ungewiss -, spürte ihre Mutter Rupban, wie
eine eiserne Faust ihren Leib zusammenpresste.»
Im ersten Teil der Geschichte wird das armselige
Leben Nazneens in Bangladesch beschrieben, aus dessen Fremdbestimmung
sich ihre jüngere Schwester Hasina befreit, indem sie mit ihrem
Geliebten in die Hauptstadt Dhaka durchbrennt, eine Auflehnung gegen die
Eltern, die für Nazneen völlig undenkbar wäre. Ihr Mann ist gut zu ihr,
erweist sich aber mit den Jahren als völlig unrealistischer
Schwadroneur, er kündigt am Ende entmutigt seine Stellung, um in die
Heimat zurückzukehren. Die Töchter von Nazneen aber bestärken ihre
inzwischen immer selbstbewusster gewordene Mutter darin, nicht
mitzugehen nach Bangladesch, eine Entscheidung, bei der auch die
Ereignisse von 9/11 eine gewichtige Rolle spielen. Um diesen
Handlungskern herum breitet die Autorin auf vielen hundert Seiten
Nazneens Weg aus der Unmündigkeit vor uns Lesern aus, berichtet minutiös
vom kargen Leben der Immigranten in der Hauptstadt des Empire. Als
Gegenpol dienen hierbei die Briefe der Schwester aus Dhaka, deren Leben
alles andere als beneidenswert erscheint und die am Ende gar, vom
Geliebten verlassen, als Prostituierte arbeitet. Und auch die
Nachrichten von ihrem nichtsnutzigen Ehemann sind alles andere als
ermutigend, Nazneen ist froh, ihm nicht gefolgt zu sein.
Die Widersprüche zwischen traditionell muslimischer
und moderner westlicher Lebensweise sind hier wenig überzeugend
dargestellt, die aus privilegierten britischen Verhältnissen stammende
Autorin hat jedenfalls keinerlei autobiografische Erfahrungen in ihre
Geschichte einbringen können, und das merkt man deutlich. Ihr Roman
ähnelt einer schier endlosen, gefühlsduseligen Soap Opera mit
hoffnungsvollem Ausgang, wobei sie wohlweislich nur beschreibt, die
Geschehnisse also nicht bewertet. Das entscheidende Manko aber ist die
quälende Langatmigkeit, in der die handlungsarme Story, völlig humorlos
übrigens, erzählt wird. Eine Geduldsprobe für den Leser also, mindestens
ebenso langweilig wie das Leben, das die Heldin mit ihrem Mann führen
muss, bevor sie sich trennen. Schade, denn das sprachliche Können der
Autorin, ihre Beobachtungsgabe, die Sensibilität, mit der sie alles
Menschliche erfasst, ist ja durchaus vorhanden. Aber das allein reicht
halt nicht für einen bereichernden, unterhaltsamen, lesenswerten Roman!
1*
miserabel
- Bories vom Berg - 30. November 2017
® Schriftliche Danksagung eines Lesers
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