ANTONO
DI BENEDETTO
ZAMA WARTET
Latein-amerikanischer
Existentialismus
Der bekannteste und im Original 1956 erschienene
Roman des argentinischen Schriftstellers Antonio di Benedetto wurde
in verschiedenen Auflagen unter dem Titel «Zama wartet» ins Deutsche
übersetzt. Als Wiederentdeckung wurde er in der Buchreihe
«Bibliothek der Weltliteratur» des Manesse-Verlags 2009 mit einem
kenntnisreichen Nachwort von Roland Spiller versehen und schließlich
2017 durch die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel auch
erfolgreich verfilmt. Dieses Buch verweigert sich beharrlich jeder
einengenden Zuweisung in eine literarische Gattung. Obwohl Ende des
18ten Jahrhunderts angesiedelt, ist es kein historischer Roman, auch
nicht die psychologische Studie eines zum Scheitern verurteilten
Karrieristen oder die an Ransmayr erinnernde Geschichte einer
desaströsen Expedition in die menschliche Finsternis.
Die mit den Jahreszahlen 1790, 1794
und 1799 überschriebenen drei Abschnitte befassen sich in 50
Kapiteln schwerpunktmäßig jeweils mit einem der im Roman behandelten
Themen-Komplexe. Diego de Zama gehört als
Justiziar zu den leitenden Beamten von Asunción, er
vertritt schon seit mehr als einem Jahr die Krone in dieser
spanischen Kolonie, fernab von Frau und Kind. Vergeblich wartet er
auf Beförderung oder Versetzung nach Buenos
Aires, alle wichtigen Posten in der Verwaltung haben die aus
der Heimat entsandten Beamten inne. Als Kreole, als in Argentinien
geborener Weißer, hat er da kaum Aufstiegschancen und wird immer
wieder mit verlogenen Versprechungen vertröstet. Finanziell lebt er
in prekären Verhältnissen, die Gehälter der Angestellten werden oft
monatelang nicht ausgezahlt, er kann dann auch seiner Frau kein Geld
schicken. Und so wartet Zama Jahr um Jahr, hofft auf ein Schiff mit
Briefen von seiner Frau - oder mit seiner Beförderungs-Urkunde! Der eher
schüchterne Mann träumt sich zunehmend in Liebesabenteuer mit
verschiedenen Frauen hinein, scheitert dabei aber an seinem
tölpelhaften Draufgänger-Gehabe. Er verliert jeden Bezug zur
Realität. und zeugt schließlich einen Sohn mit einer einfachen Frau,
die allerdings so gar nicht seinen Träumen entspricht. Als ihm
die Leitung einer Strafexpedition übergetragen wird, die den
gefürchteten, landesweit gesuchten Verbrecher Vicuña Porto und seine
Bande gefangen nehmen soll, erhofft er sich davon den nötigen
Karriereschub. Aber die Mission scheitert kläglich, in
verlustreichen Scharmützeln mit Indianern werden sie immer mehr
dezimiert und scheitern zudem an der wilden Natur. Schließlich
erkennt Diego de Zama voller Schreck, dass der Gesuchte, und
wohl auch einige Mitglieder seiner Bande, sich unerkannt
als Söldner seiner Truppe angeschlossen haben.
In dieser Geschichte vom langsamen Verfall eines
Mannes verlagert sich der narrative Status von einem, der als
Subjekt das Geschehen beobachtet, zunehmend zu einem, der als Objekt
selbst beobachtet wird, sei es von Frauen, von Kollegen oder vom
Vermieter seiner bescheidenen Behausung. Die Ich-Form bleibt dabei
allerdings bis zuletzt erhalten, nur das Erzählte verschiebt sich
immer mehr in den Bereich des Traumes, wird mystisch, existiert nur
im Delirium. Verbunden mit diesem Realitätsverlust ist insbesondere
die wachsende Erkenntnis des Protagonisten von der eigenen
Unfähigkeit, die den Macho mit voller Härte trifft.
Geradlinig und lakonisch erzählend wird hier der
Fokus auf das innerlich und äußerlich Wahrnehmbare konzentriert,
ohne es ergänzend auch kontemplativ zu würdigen oder gar
psychologisch zu deuten. Die Sprache ist karg und wirkt unbeholfen,
inhaltlich bleiben zudem alle moralischen oder religiösen Aspekte
konsequent ausgeblendet. Ein Untergebener Zamas, der im Dienst beim
Schreiben eines Buches erwischt wird, antwortet auf die Frage,
warum er überhaupt schreibt: «Ich schreibe, weil ich muss, weil ich
das, was ich im Kopf habe, herausbringen muss». Der ästhetisch
unbedarfte Protagonist aber verkörpert hier einen latein-amerikanisch
gefärbten Existentialismus.
3*
lesenswert -
Bories vom Berg - 5. April 2022
© Copyright 2022
|