T. C. BOYLE
GREASY LAKE UND
ANDERE GESCHICHTEN
Amerikanisch, daran ist kein Zweifel
Der als Thomas John Boyle geborene US-amerikanische
Schriftsteller änderte seinen Namen in jungen Jahren zu Ehren eines schottischen
Vorfahren in Tom Coraghessan Boyle, bekannt geworden ist er dann jedoch unter
dem Kürzel T. C. Boyle. Wie bei seinem Namen sind auch im Werk des Autors
unbändige Kreativität und sprachliche Knappheit die entscheidenden
gestalterischen Merkmale, der 1985 erstmals veröffentlichte Band «Greasy Lake
und andere Geschichten» ist ein prägnantes Beispiel dafür. In ihm sind vierzehn
seiner Kurzgeschichten zusammen gefasst, insgesamt gibt es mehr als sechzig
davon, die von ihm in etlichen derartigen Bänden publiziert wurden, gleichwertig
neben seinen Romanen.
Und es geht gleich richtig zu Sache in der titelgebenden
ersten Geschichte «Greasy Lake», eine durchaus schockierende Erzählung über eine
Gruppe Jugendlicher, von der es da im ersten Absatz heißt: «Wir waren neunzehn.
Wir waren böse. Wir lasen André Gide und nahmen ausgeklügelte Posen ein, um zu
zeigen, dass wir auf alles schissen. Abends fuhren wir meistens zum Greasy Lake
rauf». Es folgt ein von Alkohol und Drogen geförderter, völlig sinnloser
Gewaltexzess. Wie hier sind auch in den anderen Kurzgeschichten zumeist
Außenseiter der Gesellschaft als Protagonisten vertreten, oft komische
Sonderlinge, die Boyle mit wenigen Worten glaubhaft und treffend skizziert. Er
tut dies mit einer unterschwelligen Ironie, die aus dem ernstesten Geschehen
eine amüsante Story entstehen lässt. Sprachlich ist all das brillant umgesetzt
durch einen metaphernreichen, gleichwohl aber eher nüchternen, knappen und
pointierten Schreibstil, der mich zuweilen an Hemingway erinnert hat.
Boyles Themen sind nicht nur originell, sie verblüffen den
Leser auch durch ihre Vielfalt. Da geht es um eine verhängnisvolle
Leihmutterschaft, eine heimliche Liaison des amerikanischen Präsidenten
Eisenhower mit der Frau des KPdSU-Generalsekretärs Chruschtschow, einen
grausamen indischen Bettlerkönig, um üble Geschäfte mit naiven
Überlebensängsten, fanatische Walschützer, den Erfolg der Neumondpartei in den
USA, einen gescheiterten Elvis-Presley-Imitator, die Einbürgerung der Stare 1890
mit ihren unerwünschten Folgen 1980, es geht um den grotesken materiellen Mangel
im kommunistischen Russland und anderes mehr. Detailreich geschildert und immer
wieder überraschende Wendungen nehmend, wobei wie gesagt auch der Humor nicht zu kurz
kommt, sind diese wahrhaft abenteuerlichen Geschichten eine gleichermaßen
abwechslungsreiche wie kurzweilige Lektüre.
«Literatur kann in jeder Hinsicht großartig sein, aber sie
ist nur Unterhaltung». Wie stimmig dieses Zitat von T. C. Boyle ist, speziell
für ihn persönlich, das zeigt sich für mich recht deutlich in der vorliegenden
Sammlung von Geschichten. Der Autor hinterlässt mit ihnen beim Leser keine
nachhaltige Wirkung, man hat sie vergessen, kaum dass man sie gelesen hat,
mithin eine ziemlich belanglose Lektüre, für die U-Bahn oder den Badestrand
geeignet. Gut und Böse sind da immer klar getrennt, Zwischentöne fehlen
weitgehend, Philosophisches gar ist nirgendwo zu finden, obwohl die
interessanten Themen ja bestens dazu geeignet wären, die Dinge etwas tiefer
auszuloten, ihnen auf den Grund zu gehen, auch andere Facetten zu beleuchten.
Man wird also nicht gerade bereichert durch dieses Buch, aber immerhin sehr gut
unterhalten, amerikanisch eben, daran ist kein Zweifel.
3*
lesenswert - Bories vom Berg - 20. Juli 2014
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