WILLIAM FAULKNER
LICHT IM AUGUST
Grandiose Erzählung eines Südstaaten-Dramas
Von den Werken des Nobelpreisträgers William Faulkners gilt «Licht im August»
als der in Deutschland meistgelesene Roman, er hat ihn 1931/32 in nur wenigen
Monaten geschrieben. Etwa zur selben Zeit ereignet sich auch dessen Handlung,
Ort des Geschehens ist die Kleinstadt Jefferson des Bundesstaates Mississippi in
den USA. Ein Südstaaten-Roman mithin, dessen spezielle Problematik bei den
meisten Romanen dieses dort geborenen Autors den erzählerischen Hintergrund
bildet und auch die Thematik des Plots mit beeinflusst.
Der Handlungsrahmen des in 21 Kapitel aufgeteilten Romans ist die im
Wesentlichen im ersten und letzten Kapitel erzählte Geschichte von Lena Grove.
Sie dauert nur wenige Tage im August, einer Zeit, die dem Roman seinen Titel gab
und von der Faulkner schreibt: «Das Licht ist anders als sonst, es hat auf
einmal eine seltsam leuchtende Eigenschaft». Lena ist von dem Taugenichts Lucas
Burch geschwängert und sitzengelassen worden, kurz vor ihrer Niederkunft macht
sie sich naiv zuversichtlich auf die Suche nach ihm, findet ihn schließlich und
muss erleben, wie er sich wieder aus dem Staube macht. Von diesem Rahmen
ausgehend schildert Faulkner in vielen Rückblenden die Vorgeschichten seiner
diversen, von ihm nach und nach eingeführten Protagonisten, deren gemeinsames
Merkmal entweder Schrulligkeit oder Stumpfsinn ist, der sich bei einigen aber
auch als eine deutlich ausgeprägte geistige Verwirrung zeigt. Diese einzelnen
Geschichten sind unglaublich kunstvoll ineinander verschachtelt, bauen
aufeinander auf, ergänzen sich schrittweise in ihren Zusammenhängen und lösen
sich erst nach vielen eingeschobenen Begebenheiten in einen vollständig
erzählten Handlungsstrang auf.
Im Zentrum steht dabei die Geschichte des Findelkindes Joe Christmas - sie macht
allein gut die Hälfte des Romans aus - der zum Mörder wird und am Ende einem
Lynchmob zum Opfer fällt. Sein Kumpan ist jener Taugenichts Lucas Burch, mit dem
zusammen er, der Prohibition zum Trotz, Whiskey verkauft. Der gutmütige Byron
Bunch hat sich in Lena verliebt, er hilft ihr aber trotzdem, den liederlichen
Kindsvater zu finden. Bei Gail Hightower, einem ehemaliger Pastor, dessen Frau
unter dubiosen Umständen ihr Leben verlor und der völlig zurückgezogen lebt,
sucht Byron immer wieder Rat. Auch das Mordopfer Joanna Burden, die mit Joe ein
Verhältnis hat, lebt einsam in ihrem Haus, sie berät Farbige und hilft ihnen,
womit sie sich aus ihrer Gemeinde ausgrenzt, für die «Nigger» trotz verlorenem
Sezessionskrieg und Abschaffung der Sklaverei immer noch Menschen zweiter Klasse
sind. Gegen Ende des Romans tauchen dann die Großeltern von Joe auf, es klärt
sich nun, wie es dazu kam, dass er Weihnachten vor dem Waisenhaus ausgesetzt
wurde, um dann mit fünf Jahren zu einem unglaublich bigotten anglikanischen
Ziehvater zu kommen, dessen brutale Methoden bei der Erziehung einiges erklären
in seinem späteren Verhalten.
Faulkner erzählt seine komplexe, schwermütige Geschichte in einer unglaublich
dichten, kompakten Sprache, die vom Leser stets volle Aufmerksamkeit fordert.
Sehr häufig setzt er dabei virtuos Bewusstseinsstrom und inneren Monolog ein,
nicht selten sogar kombiniert im gleichen Satz. Seine außergewöhnliche
Sprachkunst vermag mit wenigen Worten so immens viel zu transportieren, dass man
geneigt ist, nach einigen Seiten eine Lesepause einzulegen, um das Gesagte zu
verarbeiten, die solcherart entstandenen Bilder auf sich wirken zu lassen, die
Geschehnisse gebührend einzuordnen und zu bewerten. Andererseits wird trotz der
ungewöhnlich ruhigen, ebenso gemächlichen wie suggestiven Erzählweise Faulkners
beim Leser eine Spannung erzeugt, die ihn immer weiter in die Geschichte
hineinzieht und dann nicht mehr ruhen lässt, bis er die letzte Seite erreicht
hat. Das ist Erzählkunst auf allerhöchstem Niveau.
5*
erstklassig - Bories vom Berg - 09. Mai 2014
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