ELENA FISCHER
PARADISE
GARDEN
Mix
aus Coming-of-Age und Roadnovel
Mit ihrem Debütroman «Paradise
Garden» ist Elena Fischer eine flotte Coming-of-Age-Geschichte
gelungen. Der Buchtitel weist auf den wohl
glücklichsten Tag im Leben der 14jährigen Protagonistin und
Ich-Erzählerin Billie hin, als ihre Mutter ihr nämlich in der
örtlichen Eisdiele den größten Eisbecher mit dem Namen «Paradise
Garden» spendiert. Damit wird eine tragische Zäsur angedeutet, von
der die alleinerziehende, in prekären Verhältnissen lebende Mutter
und ihre pubertierende Tochter noch nichts ahnen können. Etwa die
Hälfte der Geschichte handelt von dem äußerst bescheidenen Leben der
Beiden in der kleinen Wohnung einer städtischen Hochhaus-Siedlung.
Der erste, nach literarischem Dogma oft schon die ganze Story
enthaltende Satz des Romans lautet: «Meine Mutter starb diesen
Sommer». Damit wird hier schon gleich auf das verhängnisvolle
Ereignis hingewiesen, dem sich dann in der zweiten Buchhälfte ein
geradezu klassischer Roadtrip anschließt. Schon früh weist die
Autorin listig, en passant nämlich, in einer Szene darauf hin, als
die Mutter ihre Tochter auffordert, doch ihr Buch zu Ende zu lesen.
Es handelt sich um «Unterwegs», original «On the Road» von Jack
Kerouac, dem stilprägenden Kultroman für dieses Genre, Vorlage für
den berühmten Spielfilm «Easy Rider».
Billie, in Ungarn geboren und nach dem Willen der
dominanten Großmutter mit erstem Vornamen Erzsébet getauft, weiß
nicht, wer ihr Vater ist, sie kennt nicht mal dessen Namen. Alle
Fragen dazu bleiben unbeantwortet, dieses Thema ist ein absolutes
Tabu für ihre Mutter. Die war früher mal Ballett-Tänzerin, Billie
findet auf dem Dachboden ein Tutu, das davon zeugt. Und es gibt ein
Foto von der Mutter vor einem Gartenhaus, auf dem auch der Arm eines
Mannes erkennbar ist, der Rest wurde weggeschnitten. Obwohl die
Mutter zwei Jobs hat, reicht das Geld hinten und vorne nicht, oft
gibt es dann am Monatsende tagelang immer nur Nudeln mit Ketchup.
Trotzdem ist ihr Zusammenleben sehr harmonisch, mit ihrer
unbeirrbaren Resilienz meistern die Beiden immer wieder alle
Fährnisse des Lebens. Die Mutter versteht es, Billie mit viel
Fantasie eine bunte Kindheit zu bieten, in der sie sich prächtig
amüsieren auch ohne viel Geld. Dieses Jahr aber wollen sie in den
großen Ferien ans Meer fahren, Billie träumt immer wieder davon. Sie
hat etwas Geld gewonnen, und auch wenn es für Florida nicht reicht,
werden sie wenigstens ans Meer fahren mit dem fast schrottreifen
Nissan der Mutter, dessen TÜV seit einem dreiviertel Jahr abgelaufen
ist, - aber er fährt noch!
Die Reise-Euphorie endet abrupt, als die
Großmutter aus Ungarn unangekündigt vor der Tür steht und damit alle
Urlaubspläne zunichte macht. Billies Mutter hatte nie ein gutes
Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter, es gab häufig Streit, und das
ist auch jetzt nicht anders. Nach dem tragischen Unfalltod der
Mutter fährt die 14jährige Billie beherzt alleine los mit dem
Nissan, die Roadnovel beginnt. Sie hatte privaten Fahrunterricht bei
ihrer Mutter, übte heimlich auf dem Supermarkt-Parkplatz, sie traut
sich die Fahrt ohne Weiteres zu. Und sie hofft, mit den wenigen
Informationen, die sie hat, ihren Vater zu finden. Auch die
Großmutter hatte ihr nicht weitergeholfen mit Hinweisen auf den
Vater, angeblich wüsste sie auch nichts über ihn. Billie, die schon
immer gerne geschrieben hat, beginnt mit Aufzeichnungen, sie notiert
sich eifrig äußere Erlebnisse und innere Erkenntnisse auf ihrer
abenteuerlichen Reise. Dabei trifft sie meist auf freundliche
Menschen, die ihr weiterhelfen bei ihrer unbeirrten Suche.
Sehr überzeugend hat die Autorin in ihrem Plot
Roadnovel und Coming-of-Age als Genres miteinander verbunden, wobei
sie stilistisch eine dem Alter ihrer Protagonistin angepasste,
schlichte Jugendsprache mit kurzen Sätzen verwendet. Dieser Roman
ist eine anspruchslose, unterhaltsame Lektüre, die beim
vorhersehbaren Ende so etwas wie Hoffnung aufscheinen lässt und
manchmal leider dicht am Kitsch vorbeischrammt.
2*
mäßig - Bories vom Berg - 9. Juli 2024
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