PENELOPE FITZGERALD
DIE BLAUE BLUME
Britischer Hype um deutschen Romantiker
Mit dem Titel ihres letzten, im Original 1995 erschienenen
Romans verweist die englische Schriftstellerin Penelope Fitzgerald auf «Die
blaue Blume» als Sinnbild romantischer Poesie, welches auf Sehnsucht, Liebe und
Fernweh ebenso hinweist wie auf die Unendlichkeit. Florales Vorbild ist laut
Novalis der blaue Heliotrop, in seinem Romanfragment «Heinrich von Ofterdingen»
hat er sie erstmals als metaphysisches Symbol verwendet. Jene mystische Blume,
die niemals gefunden werden könne, symbolisiere, wie Fitzgerald es ausdrückte,
was man selber vom Leben will, ein Ziel, das man unbeirrt anstreben muss, auch
wenn es vergebens zu sein scheine. Im vorliegenden Roman versinnbildlicht die
blaue Blume die tragische Liebesgeschichte zwischen Friedrich von Hardenberg,
der später als frühromantischer Dichter unter dem Synonym Novalis berühmt wurde,
und der blutjungen Sophie von Kühn. Der in England als Meisterwerk gelobte
historische Roman gilt als Höhepunkt im Œuvre dieser Schriftstellerin, als ihr
gelungenstes und anspruchsvollstes Werk.
Zeitlich umfasst ihre Geschichte die Jahre von 1790 bis 1797.
Fritz, wie der junge Hardenberg in der Familie genannte wurde, begegnet Ende
1794 erstmals der 12jährigen Sophie, eine «Viertelstunde», die über sein Leben
entschieden habe, wie der damals 22Jährige seinem Bruder schrieb. Keine drei
Jahre später stirbt Sophie an Tuberkulose, eine in jenen Zeiten meist tödlich
verlaufende Krankheit, der Fritz vier Jahre später ebenfalls erlag. Die kurze
Spanne dieser Liebesgeschichte bildet den inneren Kern der Erzählung. Gegliedert
in 55 Kapitel, ergänzt um ein Nachwort, ist dieses Buch, wie die Autorin es
ausdrückte, eine «Art Roman», stellt also im Wesentlichen eine fragmentarische
Biografie des Dichters Novalis dar, aber auch eine um Fiktionales ergänzte,
historisch aufschlussreiche Schilderung dieser Epoche. Der vielseitig gebildete
Novalis verkehrt mit Geistesgrößen seiner Zeit, steht mit Schiller, Goethe,
Schlegel, Fichte und anderen auf vertrautem Fuß. Aber auch Profanes hat seinen
Platz in diesem kleindeutschen Milieu mit Jena und Weimar als geistiger
Mittelpunkt, ob dies nun die finanziell angespannte Lage der Familie Hardenberg
mit ihren elf Kindern ist oder kaum zu glaubende Praktiken der Mediziner, der
pietistisch den Herrnhutern hörige Vater ebenso wie die Charaktere der skurrilen
Familienmitglieder und ihre eigenartigen Rituale, beim Frühstück oder zu
Weihnachten. Auch das uns Heutige äußerst rüde erscheinende Alltagsleben auf
einem abgewirtschafteten Gutshof, die englische Autorin gibt uns gut
recherchierte Einblicke in die damaligen Lebensverhältnisse.
Indem Fitzgerald sich mit begleitenden Hinweisen und
Erklärungen, die sie als «Beleidigung des Lesers» empfunden hat, ganz bewusst
zurückhält, die Geschehnisse also ungeschönt, ganz unkommentiert auf ihn
einwirken lässt, erhalten ihre kurzen Episoden eine einzigartig direkte Wirkung,
erhellen das Wesen ihrer zahlreichen, lebensprall gezeichneten Figuren und deren
verbindendes Beziehungsgeflecht. Besonders bedrückend wirkt deshalb am Ende auch
die knappe Schilderung von Sophies Todesstunde. Fritz kann sie nicht anlügen,
ihren sich verschlimmernden Zustand nicht schönreden, er verlässt den Gutshof
ohne Abschied, ohne seine übliche Beteuerung: «Sophie, du bist die Seele meiner
Seele».
Zweifellos ist es der Autorin gelungen, uns einen großen
Dichter der Romantik nahe zu bringen. Wichtigstes Thema jedoch ist die
rätselhafte Anziehungskraft zwischen Liebenden und ihr letztendlich schmähliches
Versagen vor dem Menetekel des nahenden Todes. Ihre Sprache ist schnörkellos,
wirkt allerdings recht
holzschnittartig, die Handlung zudem ist allzu sprunghaft erzählt, was dem
Lesevergnügen ziemlich abträglich ist. Der große Erfolg im
englischsprachigen Ausland dürfte in der dort unbekannten Thematik um den
Dichter Novalis begründet sein, kaum in den literarischen Qualitäten dieses
Romans.
2*
mäßig - Bories vom Berg - 23. Februar 2017
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