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JONATHAN FRANZEN

 

DIE KORREKTUREN

 

Jonathan Franzen - Die KorrekturenVom Scheitern der Familie

 

Mit seinem dritten Roman ist dem amerikanischen Gegenwartsautor seinerzeit der Durchbruch gelungen. Auch hier steht das scheinbar unaufhaltsame Auseinanderfallen der klassischen Familie im Mittelpunkt, wobei Jonathan Franzen geradezu sezierend deren einzelne Mitglieder als auch das soziale Gesamtgefüge bloßlegt, sie gekonnt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen in ihre Grundelemente zerlegt.

 

Wir haben es mit fünf Protagonisten zu tun, die jeder für sich als Prototypen verschiedener Charaktere und konträrer Lebensentwürfe angesehen werden können. Enid, frömmelnde und einer überholten, geradezu kitschigen Vorstellung von Familie nachhängende Mutter, träumt vom letztmaligen gemeinschaftlichen Weihnachtsfest der gesamten Familie. Bei Alfred, ihrem herrschsüchtigen und altersstarrsinnigen Ehemann, sind erste Anzeichen von Demenz zu erkennen, und inkontinent ist er auch noch. Sohn Gary, scheinbar erfolgreicher Banker, entspricht am ehesten den Idealen seiner Eltern, ist aber depressiv und hat erhebliche Ehe- und Alkoholprobleme. Chip, honoriger Literaturprofessor, verliert wegen einer Affäre mit seiner Studentin die Stellung, scheitert als Autor und wird in äußerst dubiose Geschäfte in Litauen verwickelt. Denise schließlich, hochbegabte Gourmet-Köchin, verliert ihren Job, weil sie eine leidenschaftliche Affäre mit der Frau des Chefs hat und irgendwann dann auch noch mit dem Chef selbst im Bett landet.

 

Eindringlich und detailreich schildert Franzen in breit angelegten Rückblenden die Biografien seiner Figuren, durchleuchtet deren kompliziertes Beziehungsgeflecht. Wir erfahren von Ehekriegen, Krankheiten, Altersqualen, Depressionen, lesbischen Beziehungen, Trennungen, Niederlagen und Triumphen, von allen familiären Irrungen und Wirrungen einer Familie aus dem Mittleren Westen der USA. Vor dem interessierten Leser wird in einem simplen Plot, dessen Höhepunkt das missglückte Weihnachtsfest ist, pessimistisch der Niedergang der herkömmlichen Familie vorgeführt, dargestellt am Beispiel der verkorksten Vita sämtlicher Figuren.

 

All das ist so üppig angelegt und emotional überfrachtet, dass man unwillkürlich an alte Hollywoodfilme erinnert wird, bei denen man auch nicht viel nachdenken musste, weil einem alles so mundgerecht serviert wurde. Dieser monumentale, amerikanische Erzählstil erinnert an John Updike, Philip Roth oder John Irving, ohne auch nur annähernd deren literarische Qualität zu erreichen. Das Buch mit seinen 780 Seiten liest sich sehr flüssig, und es findet sich auch einiges Amüsante dabei, die Senioren-Kreuzfahrt gegen Ende der Story ist ein gutes Beispiel dafür. Wer sich unangestrengt und extensiv unterhalten lassen will als Leser ist hier gut aufgehoben, mir war das Ganze zu kitschig und geistlos.

 

2* mäßig - Bories vom Berg - 8. Februar 2013

 

 

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