TRISTAN
GARCIA
DAS SIEBTE
Mangel
an Inspiration und Substanz
Mit dem Titel «Das Siebte» hat der französische
Schriftsteller Tristan Garcia seinen siebenteiligen Romanzyklus
abgeschlossen, und nicht zuletzt hat er auch die mystische Bedeutung
der Zahl sieben mit einbezogen in seine Geschichte von Einem, der
sieben mal lebt. Ein philosophisches Experiment, das als narratives
Gerüst fungiert für allerlei Gedankenspiele zum Thema Tod. Und dabei
wird dann auch die uralte Frage gestellt: Was wäre denn, wenn es
nach dem Sterben ein Wiedererwachen gäbe? Wenn man also, anders als
bei Jesus, der ja zu seinem ‹Vater› in den Himmel aufgestiegen ist,
im gleichen Körper wiedergeboren wird, mit dem bereits vorhandenen
Bewusstsein allerdings aus dem vorhergehenden Leben. Der Autor lässt
seinen namenlosen Romanhelden also sechs Mal wieder auferstehen, ehe
er nach seinem siebten Leben dann endgültig tot ist.
In den sieben Kapiteln des Romans werden
nacheinander die sieben Leben des Ich-Erzählers geschildert,
beginnend jeweils mit der Geburt, die der Protagonist bei vollem
Bewusstsein miterlebt, und jedes Mal schneidet sein Vater wieder
höchstpersönlich die Nabelschnur durch. Er wächst heran, und als
Siebenjähriger überfällt ihn erstmals ein heftiges, nicht stillbares
Nasenbluten, welches seine Mutter zwingt, mit ihm in eine
Spezialklinik nach Paris zu fahren. Dort nimmt sich ein Arzt seiner
an, der ihn mit «Hallo, alter Junge» begrüßt und ihm die Hand
hinstreckt. «Ich heiße François, aber alle nennen mich Fran.» Gegen
das Nasenbluten gibt Fran ihm eine winzige Phiole mit einer
stinkenden Flüssigkeit, die er tief einatmen soll, - und die denn
auch sofort hilft. Sein Nasenbluten sei eine genetische Anomalie,
erklärt der Arzt. Und im weiteren Gespräch prophezeit er ihm
schließlich: «Du wirst nicht sterben», was beim Ich-Erzähler auf
völliges Unverständnis stößt. Neben Fran, der ihn auch künftig durch
alle seine Leben hindurch begleiten wird, ist es vor allem die
schöne Hardy, die als Freundin, Geliebte, Kumpanin, Revolutionärin,
Ärztin und Ehefrau eine wichtige Rolle in seinen sieben Leben
spielt. Eine so tolle Frau, dass ihn ein Bekannter bittet: «Rufen
Sie mich an, wenn sie sich je scheiden lassen wollen!» Neben diesen
beiden Wegbegleitern trifft er auch immer wieder auf die gleichen
Dorfjungen oder den Hausarzt mit dem Dodge, und er erlebt
Situationen, die er genau so schon mal erlebt hat. Den
silberfarbene, verletzten Vogel zum Beispiel, den er immer pflegt,
oder den herum streunenden schwarzen Hund, der den Vogel immer
frisst.
Gleich im ersten Leben lernt er die Gitarre
spielende Hardy in einem Park kennen, wo er sich ganz vorne
hingesetzt hat und sie ihn anschnauzt: «Hey, glaubst du, du bist
durchsichtig?» Diese Szene wiederholt sich auch in den anderen
Leben, die sich von Leben zu Leben weiterentwickeln, jeweils auf
sein Vorleben und Vorwissen aufbauend. Mal ist er durch Protektion
seines Vaters Beamter, dann wird er Nobelpreisträger,
Börsenspekulant, wird als jesusähnlicher Heilsbringer verehrt, ist
als Revolutionär an Straßenkämpfen in Paris beteiligt und wird im
letzten Leben schließlich zum Schriftsteller. Im Aufbau der
Biografien auf dem jeweils bereits Erlebten offenbart sich die
Problematik dieses gedanklichen Experiments, denn einen wirklichen
Nutzen kann der untote Romanheld daraus nicht ziehen. Nicht mal
dann, wenn es zum Beispiel um Wetten geht, deren Ergebnisse er vom
Vorleben her ja im Voraus schon genau kennt, bei denen sich
letztendlich dann aber doch immer alles anders entwickelt.
Leider tragen weder das erzählerische Konstrukt
noch die ziemlich wirren, philosophischen Streifzüge durch ein
uraltes Menschheits-Thema dazu bei, diesen Roman als interessante
Lektüre zu empfinden. Sprachlich wenig überzeugend, wird man weder
bereichert als Leser noch erfreut. Denn auch als Fantasy ist diese
Geschichte nicht tragfähig, fehlt ihr Inspiration und Substanz.
Schade, denn Tristan Garcia kann es deutlich besser, was er ja mit
«Faber» zum Beispiel sehr überzeugend bewiesen hat!
2* mäßig - Bories
vom Berg - 30. Dezember 2024
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