TIMON
KARL KALEYTA
HEILUNG
Vom
Sinnsucher zum Bauernknecht
In seinem zweiten Roman mit dem Titel «Heilung»
erzählt Timon Karl Kaleyta von einem Mann, der nicht mehr schlafen
kann. Unter den Überschriften «Innen» und «Außen» des zweiteiligen
Romans wird zunächst der verzweifelte Kampf des egozentrischen
Ich-Erzählers gegen seine Schlaflosigkeit in einem vom Schauplatz
her dem »Zauberberg» ähnelnden, exklusiven Resort in den Dolomiten
geschildert. Dort werden Leute behandelt, denen nichts fehlt, immer
nach der Erkenntnis von Karl Valentin: «Gar
ned krank is a ned g'sund». Im zweiten Teil befindet sich der
Protagonist nach einem abrupten Wechsel des Settings in einem
Prozess der Sinnfindung, frei nach dem Motto «Zurück zur Natur» des
Aufklärers Jean-Jacques Rousseau, örtlich angesiedelt in einer
idealtypischen, bäuerlichen Idylle, mitten in einer gottverlassenen
Gegend.
Nach langem Sträuben gibt der namenlose
Protagonist Mitte vierzig endlich dem Drängen seiner Frau Imogen
nach, sich in die Obhut des für seine Behandlungs-Erfolge berühmten
Prof. Trinkl zu begeben. Denn seine andauernde Schlaflosigkeit droht
die immer noch kinderlose Ehe zu zerstören. Der Professor stellt
fest, dass ein in seiner Vergangenheit begründetes
«Unbehagen»
schuld sei an seinen geheimnisvollen, psychischen Störungen. Schon
am ersten Tag seines Aufenthalts lernt er im Schwimmbad Mona kennen,
eine Frau, die offensichtlich Kontakt zu ihm sucht, obwohl sie weiß,
dass er verheiratet ist. Zu den fragwürdigen Methoden des Professors
gehört stundenlanges Einsperren seines Patienten in einer
stockdunklen Kammer, und er geht auch zur Jagd mit ihm. Auf einem
Hochsitz drückt er ihm, der noch nie eine Waffe in der Hand hatte,
plötzlich ein Gewehr in die Hand. Er soll auf einen Bären schießen,
den sie in Schussweite entdeckt haben, und als der Bär dann nur
angeschossen ist, muss er ihn waidmännisch korrekt auch noch mit
einem Messerstich ins Herz töten.
In einer traumartigen Szene lässt der
Ich-Erzähler alles stehen und liegen und flüchtet vor diesen
merkwürdigen Behandlungs-Methoden zu seinem Freund aus Kindertagen,
der mit seiner Frau einen Bauernhof in einer einsamen Gegend
bewirtschaftet. Der liefert den beiden Selbstversorgern alles, was
sie zum Leben brauchen. Und hier findet der verzweifelte Mann auch
endlich Ruhe, er beschließt, immer bei seinem Freund zu bleiben.
Voller Elan bringt er sich ein in dieses archaische Leben, arbeitet
körperlich hart und erlernt all die Arbeiten, die ein solcher
Bauernhof mit sich bringt. Bis die Dinge schließlich eskalieren und
ihn dort seine Vergangenheit einholt. Mit viel Symbolik, zu der auch
diverse, immer wieder mal zitierte Klopstock-Gedichte zählen,
entwickelt der Autor in verstörenden Szenen das Bild einer aus den
Fugen geratenen Gegenwart, die auch die drohende Klimakatastrophe
mit einbezieht. Es sind ebenso unheimliche wie absurde Bilder, die
da heraufbeschworen werden.
Sowohl der Plot als auch
das Setting dieses stilistisch misslungenen Romans, der den Rückzug
aus der verachteten Leistungs-Gesellschaft zum Thema hat, sind wenig
überzeugend, denn da ist Vieles geradezu an den Haaren
herbeigezogen. Man weiß als Leser nicht, ob das, was man da liest,
wirklich ernst gemeint oder einfach nur komisch ist. Gut gelungen
ist die Schilderung der Seelenpein des gequälten Protagonisten, der
bäuerliche Jugendfreund hingegen ist wenig glaubwürdig dargestellt,
er bleibt als Figur eher blass. Imogen und die Frau des Freundes
fristen erzählerisch sogar ein Mauerblümchen-Dasein. Und auch die
begehrenswerte Mona verschwindet heimlich und spurlos während der
erzählerischen Metamorphose des Helden vom ohnmächtigen
Sinnsucher zum
kraftstrotzenden Bauernknecht. Der kommt schließlich nach Hause und
ist geheilt. Der Roman endet abrupt mit dem vor Kitsch kaum noch zu
überbietenden Satz: <«Heute Nacht
würde ich Imogen ein Kind schenken.»
1*
miserabel - Bories
vom Berg - 9. September 2024
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