EIN SCHÖNES PAAR
Nach zwölf Jahren ist nun wieder ein Roman von Gert Loschütz erschienen, dessen schon fast kitschig scheinender Titel «Ein schönes Paar» an Harmonie denken lässt, was durch das sepiafarbene Papier, auf dem er gedruckt ist, noch unterstrichen wird, - ein klassischer Liebesroman also? Mitnichten, denn er erzählt genau vom Gegenteil, von tragischer Trennung und jahrzehntelanger Wortlosigkeit bis in den Tod. Wobei es die Teilung Deutschlands ist, die die Liebenden stolpern lässt und das Paar auseinanderreißt in einer an Effi Briest erinnernden, ursachegleichen Tragik.
Ich-Erzähler dieses Eheromans ist Philipp, von seiner schönen Mutter nur Fips genannt, ein Fotograf, der sich an das Liebesglück seiner Eltern erinnert. Der Vater war leitender Angestellter in einem großen Industriebetrieb der DDR und hatte sich bei einem damals, vor dem Mauerbau, noch möglichen Westbesuch bei der Bundeswehr beworben. Ein von dort unbedacht an seine Heimatadresse geschickter Brief wurde ihm zum Verhängnis, er musste Hals über Kopf fliehen, seine Frau und Fips folgten wenig später. Um das Ersparte zu retten wurde noch schnell eine sündhaft teure Spiegelreflexkamera gekauft, die als Startkapital im Westen wieder zu Geld gemacht werden sollte. Ein tragischer Irrtum, denn einen annehmbaren Preis konnte der Vater im westlichen Konsumparadies für die Exakta Varex nicht erzielen. Um seine vergeblichen Verkaufsbemühungen vor seiner Frau zu verschleiern beging er einen folgenschweren Fehler und landete im Gefängnis. Die selbstlose Liebe seiner Frau brachte ihm zwar die Freiheit wieder, bewirkte aber auf fatale Weise die unversöhnliche, lebenslange Trennung des Paares. In Rückblenden erzählt Fips das Geschehen aus seiner Sicht, wobei ihm eine tragische Rolle zufällt. Denn er hat ungestüm handelnd verursacht, dass ein aus Liebe begangenes Fehlverhalten seiner Mutter bekannt wurde und zum Zerwürfnis der Eheleute führen musste, was ihn dann auch selbst lebenslang belastet hat.
Gert Loschütz schreibt hier im Stil des Nouveau Roman, es gibt keine psychologisch sezierten Protagonisten, auch keine stringente Handlung, sondern immer wieder erzählerisch irritierende Sackgassen und Leerstellen in einer Geschichte voller Geheimnisse. Damit lässt er seinen Lesern denn auch reichlich Raum für eigene Interpretationen und zuweilen erforderliche, gedankliche Ergänzungen. Den ominösen Fotoapparat benutzt er sehr raffiniert nicht nur als narrative Klammer, sondern auch als äußere Ursache einer tragischen Verkettung von allenfalls leichtsinnig begangenen Fehlern. Geradezu detektivisch bröselt Fips mit seiner Spurensuche nach dem Tod beider Eltern ihre Geschichte auf, spürt den Umständen ihrer unwiderruflichen Trennung bis zum Tode nach. Und erkennt am Ende, das seine Eltern auf eine von ihnen selbst niemals eingestandene Weise doch untrennbar miteinander verbunden waren. Die Mutter ist heimlich auf dem Friedhof dabei, als der Vater begraben wird, das Pflegeheim der Mutter wurde vom Vater ebenso heimlich mitbezahlt. Und aus der Ferne, über den Fluss hinweg, der sie trennte, hatten die Beiden bis zu ihrem Ende zumindest Sichtkontakt, er konnte aus einer Dachluke ihr Fenster im Pflegeheim sehen, Zigarettenspuren deuten darauf hin, und sie hatte immer den Blick auf das Dach seines Hauses.
Dieser spannende Roman erzählt in poetischen Bildern die Geschichte einer Liebe in ihrer politisch und gesellschaftlich bedingten Dimension. Das selbstverschuldete Scheitern, das spurlose Verschwinden der Mutter, die Sprachlosigkeit über Jahrzehnte hinweg, all das wird geradezu unerbittlich thematisiert, wobei der Autor gekonnt auch dem Insignifikanten breiten Raum gibt in seiner betroffen machenden Geschichte. Erzählt ist all das fragmentarisch in einer wohlgesetzten, klaren Sprache mit nicht immer leicht nachvollziehbaren Zeitsprüngen. Die überraschende Detailfülle bildet in Summe neben der im Zentrum stehenden, menschlichen Tragik auch ein stimmiges Zeitzeugnis.
5* erstklassig - Bories vom Berg - 21. September 2018
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