TERÉZIA
MORA
MUNA
Gefahren
toxischer Männlichkeit
Als erster Band einer geplanten Trilogie zum
Thema ‹Frauen› ist der Roman «Muna» der Schriftstellerin Terésia
Mora auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023 gewählt
worden. Die deutsch-ungarische Büchner-Preisträgerin thematisiert in
ihrem neuen Roman eine latente Frauenfeindlichkeit, die sich hier in
der psychischen und physischen Gewalt gegen die Ich-Erzählerin Muna
Abbelius artikuliert. Mit dem Untertitel «Die Hälfte des Lebens»
wird auch auf den zeitlichen Rahmen der Handlung hingewiesen. Die
Geschichte beginnt kurz vor dem Abitur der Protagonistin in der
DDR, wenige Jahre vor der Wende, und endet, als sie Anfang vierzig ist. Damit
wird etwa die Hälfte ihres Lebens als Erwachsene überspannt, die
entscheidende Zeit der beruflichen Weichenstellung und dem weiteren
Verlauf ihrer Karriere. Beherrscht aber wird die Erzählung von der
unverbrüchlichen Liebe der jungen Mona zu dem gutaussehenden, etwas
älteren Magnus, ein Intellektueller, der sich auch ernsthaft als
Fotograf betätigt, ohne dabei aber beruflichen Ehrgeiz zu
entwickeln.
Monas alleinerziehende, alkoholkranke Mutter ist
Schauspielerin in einem fiktiven, kleinen Städtchen Ostdeutschlands,
das Mona, mit einem glänzenden Abitur in der Tasche, gleich zu
Beginn des Romans verlässt, um zu studieren. Die attraktive, junge
Frau strebt eine literarische Karriere an und übt zur Finanzierung
ihres Studiums diverse Jobs aus, die zu ihrem Interessengebiet
passen und ihren Horizont erweitern, notfalls auch ohne Bezahlung.
Magnus ist ihre erste Liebe, sie verbringt eine Nacht mit ihm und
ist überzeugt, dass er der Mann ihres Lebens ist. Er jedoch
verschwindet spurlos und taucht dann erst in der zweiten Hälfte des
Romans wieder auf, ganze sieben Jahre später, nach den Turbulenzen
des Mauerfalls. Obwohl er sie so herzlos ohne ein Wort verlassen
hatte, finden die Beiden wieder zueinander, haben rauschhaften,
beglückenden Sex und werden ein Paar, nicht zuletzt auch, weil sie
als Akademiker intellektuell bestens zusammenpassen. Magnus arbeitet
als Französischlehrer, strebt aber eine wissenschaftliche Karriere
an, publiziert und hält Vorträge. Sie haben zudem kulturell gleiche
Interessen, denen sie gemeinsam nachgehen, Theater,
Kunst-Ausstellungen, Musik, über die sie sich ergiebig austauschen.
Als Magnus karrierebedingt in verschiedene
Positionen an anderen Universitäten wechselt, begleitet ihn Mona
notgedrungen, ohne Rücksicht auf die eigene Zukunft, sie möchte ihn
keinesfalls verlassen. Deutlich wird in dem unberechenbaren
Verhalten von Magnus seine seelische Kälte, die sich mit der Zeit
zunehmend auch in physischer Gewalt äußert, der Mona hilflos
ausgesetzt ist. Und er verschwindet auch wieder öfter mal, ohne ein
Wort zu sagen, übt also auch psychische Terror auf sie aus, unter
dem sie genauso leidet. In ihrem Liebeswahn aber erträgt sie
ungerührt alle diese Demütigungen, findet immer eine Entschuldigung
für sein doch so deutlich abweisendes Verhalten.
Terésia Mora verwendet auch in diesem stimmig
erzählten Roman wieder verschiedene typografische Besonderheiten wie
durchgestrichenen Text oder Schwärzungen, was einen kreativen
Schreibprozess simulieren soll, in dem eben auch Fehler vorkommen.
Hier werden sie sichtbar gemacht, die Illusion eines Manuskripts
erzeugend! Durch eine mitreißende, geradezu intime Schilderung der
Charaktere ist man als Leser so nahe an den Figuren, dass man Mona
am liebsten in den Arm nehmen möchte und sie kräftig durchschütteln.
Damit sie aufwacht und die Realität ihrer seelischen Abwärtsspirale
erkennt, die Gefahren toxischer Männlichkeit. Damit sie aus dem
Teufelskreis ausbricht, der ihr Leben zu ruinieren droht. Sie
schafft am Ende gerade noch ihre Promotion mit «Cum laude». Deutlich
erkennbar ist dieser Roman auch eine Satire auf den akademischen
Betrieb, es tummeln sich Koryphäen aller Couleur darin, manche als
wahre Lachnummern. Erfreulicher Weise wird all das, ganz ohne
didaktische Absichten, mit leichter Hand erzählt, es wird hier also
konsequent auf eine wohlfeile Botschaft verzichtet!
5*
erstklassig
- Bories vom Berg -27.Juni 2024
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