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AMOZ OZ

 

EIN ANDERER ORT

 

Im Mikrokosmos des Kibbuz

 

Der 1939 als Amos Klausner geborene Schriftsteller nahm 15jährig beim Eintritt in einen Kibbuz den Namen Amos Oz an, als meistübersetzter israelischer Autor und Professor für hebräische Literatur wurde er zeitlebens mit vielen Preisen geehrt. In seinem 1966 erschienenen ersten Roman «Ein anderer Ort» thematisiert er die israelische Utopie einer basisdemokratisch geführten, sozialistischen Siedlungsgemeinschaft, dem Kibbuz, der im heutigen Israel wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutungslos geworden ist. Der Gegensatz einer streng rationalen, disziplinierten Gesellschaftsordnung des idealistischen Kollektivs zu den individuell vorhandenen, existentiellen Trieben und Prägungen der einzelnen Mitglieder bildet den Stoff, besser Zündstoff, für eine Geschichte, die zeitlich Anfang der sechziger Jahre – noch vor dem Sechstagekrieg - angesiedelt ist.

 

In einer Fülle von anschaulich beschriebenen, oft kantigen Figuren bilden zwei Paare die alles dominierenden Protagonisten. Ihre als Amour fou den beschaulichen Frieden im Kibbuz störenden sexuellen Beziehungen bilden im Wesentlichen den losen erzählerischen Leitfaden einer ansonsten handlungsarmen Geschichte. Der von seiner Frau verlassene Lehrer des Wehrdorfs im Norden Israels hat ein Verhältnis mit der Frau des LKW-Fahrers, welcher sich wiederum von dessen 15jähriger Tochter verführen lässt, was nicht ohne Folgen bleibt, sie wird schwanger. Die in dieser unheilvollen Melange begründeten individuellen Konflikte münden gleichwohl in ein versöhnliches Ende, das Menschliche obsiegt über das rein Rationale.

 

Um die hier kurz skizzierte Handlung herum wird ein etwa einjähriger Abschnitt aus dem Kibbuzleben erzählt. Amos Oz beschreibt in einzelnen Szenen wunderbar stimmig und mit Liebe zum Detail eine ganz eigene Welt, die für den ausländischen Leser unwirklich, fast exotisch erscheinen muss mit ihrem streng befolgten Regelwerk. Dessen religiöse Komponente wird verkörpert durch den LKW-Fahrer, ein ebenso tatkräftiger wie ernster, wortkarger Mann, der häufig in Bibelzitaten sprechend seine Gesprächspartner immer wieder verblüfft mit seiner unbeirrten Geradlinigkeit. Überhaupt ist die selbstverständliche Bereitschaft der Siedler, sich den strengen Regeln und der harten Arbeit zu unterwerfen, ihre fast mönchische Genügsamkeit wirklich staunenswert. Weit ins Familienleben eingreifend wachsen Kinder hier räumlich getrennt von den Eltern auf, jedes Privateigentum wird strikt ablehnt, die Gleichheit aller postuliert, ein Irrtum, an dem auch der Kommunismus gescheitert ist. Der von den Älteren verinnerlichte Gründungsmythos der Kibbuzniks wird von den jungen Leuten zunehmend in Frage gestellt, sie sperren sich gegen die sozialistische Idee, verlassen ihr Wehrdorf, ziehen in die Städte oder gehen ins Ausland. Die Nähe der arabischen Feinde und deren ständig drohenden Angriffe fördern unter den jungen Israelis einen aggressiven Militarismus, der dem Friedenswillen der Alten entgegensteht: «Ein Jude, der zur Waffe greift, ist kein Jude», glauben jene. Und so endet denn auch dieser Roman mit einem von den Kibbuzniks durch eine Landnahme provozierten Scharmützel mit den Arabern, dem der Traktorfahrer zum Opfer fällt und das viel Sachschaden anrichtet.

 

Unübersehbar nostalgisch und wehmütig verklärend beschreibt Amos Oz hier eine bieder anmutende Pionierzeit, die schon damals ihren Zenith überschritten hatte. Er erzählt sie aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, der anonym bleibt, aber im Dorf lebt und den Leser schon im ersten Satz direkt anspricht: «Vor euch liegt der Kibbuz Mezudat Ram». Zuweilen in Form des Bewusstseinsstroms erzählt, häufig aber durch direkte Rede, breitet der Autor das Bild eines fremdartigen Mikrokosmos vor dem Leser aus. Immer wieder lässt er ihn auch teilhaben an seinen Gedanken, würzt all dies mit feiner Ironie und schafft damit elegant eine Atmosphäre der Vertrautheit, die den Leser fest an sein Buch zu fesseln vermag.

 

3* lesenswert - Bories vom Berg - 25. März 2016

 

 

® Schriftliche Danksagung eines Lesers

 

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