DAS BESSERE LEBEN
Mit seinem fünften Roman «Das bessere Leben» hat es Ulrich Peltzer unter die Finalisten des Deutschen Buchpreises 2015 geschafft, eine aktuelle Prosa also, die von der diesjährigen Jury als «Ein Werk von enormer Wucht und Relevanz» angesehen wird. Charakteristisch für diesen Autor ist einerseits das Ausblenden einer realistischen, glaubwürdigen Außenwelt, sein Augenmerk liegt dominant, fast ausschließlich sogar auf der Innenwelt seiner Protagonisten, die immer wieder, und das ist ebenfalls spezifisch Peltzer, reine Großstadtmenschen sind. Landschaften würden wenig auslösen bei ihm, hat er dazu angemerkt, er sei am liebsten in Metropolen, und so sind denn auch viele seiner Figuren Weltbürger, den ökonomischen Global Players entsprechend, als deren Akteure sie fungieren.
Zwei solcher Managertypen sind Protagonisten des vorliegenden Romans, zum einen der Sales-Manager Ulrich Brockmann, der für einen in Turin ansässigen Hersteller von Anlagen zur Oberflächenveredlung tätig ist, und der Versicherungshändler Sylvester Lee Fleming, der Risikomanagement betreibt. Peltzer beschreibt deren berufliches Leben als ewige Hetze von Termin zu Termin, zwischen VIP-Lounges an den Flughäfen dieser Welt und den Rezeptionen und Lobbys der noblen Hotels, die sich weltweit so gleichen, dass man beim Aufwachen im Hotelzimmer schon mal kurz überlegen muss, wo man hier denn eigentlich ist. Beide bewältigen ihren stressigen Job, immer am Rande des Zusammenbruchs, nur mit dem extensiven Einsatz von Medikamenten, leiden unter Schlaflosigkeit ebenso wie unter Dauerkopfschmerzen. Der Sinn des Ganzen, so erfahren wir, ist «das bessere Leben» im Sinne materiellen Wohlergehens, Kapitalismus in reinster Ausprägung also, ein biblischer Tanz ums Goldene Kalb. Mit diesem sehr speziellen Gegenwartsbild wird eine ökonomische Wirklichkeit beschrieben, in der mit höchstem Risiko nur noch dem schnellen Geld hinterher gejagt wird von Deal zu Deal, bei dem die Akteure allerdings ständig der Gefahr des bodenlosen Absturzes ausgesetzt sind. Die Casino-Mentalität der Finanzwelt ist also auch in der sogenannten Realwirtschaft angekommen. Die Produkte scheinen nebensächlich geworden zu sein, man identifiziert sich nicht mehr mit ihnen, nur der kurzfristig erzielbare Profit zählt noch.
Dass Zwischenmenschliches dabei entschieden zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Der Autor erzählt seine Geschichte zu weiten Teilen in Form des Bewusstseinsstroms aus der Perspektive verschiedener Protagonisten. Das führt dann dazu, dass seine entsprechend verknappte Prosa gespickt ist mit Schlagwörtern, unvollständigen Sätzen, der Globalisierung geschuldeten Anglizismen sowie banalen Phrasen aus der Alltagssprache, häufig natürlich auch in Englisch. Zusätzlich bremsen viele eingestreute, in Klammern gesetzte Ergänzungen, Fragen, Bekräftigungen ebenso wie häufige Auslassungen den Lesefluss. Angereichert ist das Ganze mit Reminiszenzen an einstige linke Ideale und mit alltagsphilosophischen Anmerkungen, deren gedankliche Tiefe konsequent auf Stammtischniveau begrenzt bleibt.
Unwillkürlich fühlte ich mich bei der Lektüre an den Chaplin-Film «Modern Times» erinnert. Der damals thematisierten Zeitenwende der industriellen Revolution entspricht die hier geschilderte ökonomische Wende von Nutzen stiftender, realer Produktion hin zu rein virtuellen, anonymen Geschäften, denen anscheinend nichts Greifbares mehr gegenübersteht. Ein vom Ziel her ambitionierter Roman also, dessen Umsetzung allerdings nicht überzeugen kann. Indem der Autor die aufgeworfenen Themen ohne eigene Reflexion ausschließlich der intellektuellen Ebene seines Figurenensembles überlässt, fehlt seinem Text ein wichtiges Korrektiv, macht ihn gedanklich damit trivial. Er ist auch nicht gerade leicht zu lesen mit seinem üppig mäandernden Plot, der in einer kitschigen Familienfeier endet, die so gar nicht zum vorher Erzählten passen will. Schade eigentlich, die Intention hinter alldem ist ja lobenswert!
2* mäßig - Bories vom Berg - 8. November 2015
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