JENS
PETERSEN
DIE
HAUSHÄLTERIN
Oberflächliche
Vater/Sohn-Geschichte
Das Romandebüt von Jens Petersen mit dem Titel
«Die Haushälterin» wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet und
für den Deutschen Buchpreis 2005 nominiert. Es blieb bis dato der
einzige Roman dieses Schriftstellers und Arztes, dessen Erzählungen
hingegen in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden. In seinem
preisgekrönten Roman beschreibe er, wie die Aspekte-Jury des ZDF befand,
«unsentimental, geradlinig und doch vielschichtig die Geschichte
einer Vater-Sohn-Beziehung auf Messers Schneide».
Dieser Generationen-Roman ist auch die Geschichte
einer ersten Liebe. Der sechszehnjährige Ich-Erzähler Philipp, der
früh seine Mutter verloren hat, muss nun auch noch erleben, dass
sein Vater, der Kernkraftwerke gewartet hat, arbeitslos wird und zu
trinken anfängt. Der Haushalt der Beiden in einer ehemals prächtigen
Jugendstilvilla verwahrlost zusehends. Immer öfter kommen nun auch
fremde Frauen ins Haus und stehen plötzlich morgens in der Küche,
was den Jungen ziemlich verstört. Sein Vater
benutze seine diversen Liebschaften
offensichtlich nur «wie eine Arznei gegen das Sterben», stellt er
ernüchtert fest. Als der alkoholisierte Vater bei einem Sturz
die Kellertreppe herunterfällt und einen komplizierten Beinbruch
erleidet, engagiert Philipp kurz entschlossen eine Haushälterin. Die
23jährige Ada ist eine Studentin aus Polen, die auch als
Übersetzerin arbeitet. Sie kümmert sich nun zweimal die Woche um den
Haushalt und bringt ihn sehr schnell wieder ‹auf Vordermann›.
Außerdem erweist sie sich auch als hervorragende Köchin, ein
Glücksfall für die beiden eher stümperhaften Selbstversorger, und
mit ihr kommt nun wieder Leben ins Haus. Die burschikose Ada kümmert
sich auch um den Garten und springt für den durch seine Verletzung
gehandicapten Vater als Chauffeur ein. Für den mitten in der
Adoleszenz steckenden, eher verschlossenen Philipp ist sie der
allererste Kontakt zum weiblichen Geschlecht. Sie geht ganz
ungezwungen mit ihm um, lässt sich von ihm duzen, geht mit ihm
schwimmen, sie besuchen zusammen eine Party, und einmal küsst sie
ihn sogar. Aber wie er schon bald merkt, hat sie ganz offensichtlich
einen Freund in Polen. Und was ihn noch viel mehr trifft, auch sein
Vater macht ihr völlig ungeniert den Hof und überschüttet sie mit
Geschenken, bietet ihr schließlich sogar ein Zimmer im Haus an. Als
Nebenbuhler seines Vaters um die Gunst der lebenslustigen Ada hat
Philipp keinerlei Chance, das wird ihm bald klar.
Die führwahr nicht seltene Thematik dieses Romans
von der Rivalität zwischen Vater und Sohn um die gleiche Frau wird
hier kühl und nüchtern in einer dem jugendlichen Erzähler
angepassten Sprache geschildert. Die Figuren sind glaubwürdig
charakterisiert, wobei besonders Ada sehr sympathisch wirkt, was
daran liegen mag, dass man nicht alles über sie weiß. Es wird
nämlich nicht alles auserzählt in diesem melancholischen Roman,
manches ist nur vage angedeutet oder bleibt völlig offen.
Thematisiert wird hier auch die generationsbedingt schwierige
Kommunikation zwischen dem dominant auftretendem Vater und seinem
eher unbedarften Sohn, die den Heranwachsenden immer wieder vor neue
Probleme stellt und ihn sogar zu einigen Kurzschluss-Handlungen
verleitet.
Es liegt ein Anflug von Tristesse
über diesem Adoleszenz-Roman, der geradezu beiläufig von den
Schwierigkeiten und Fallstricken beim Erwachsenwerden erzählt. Dabei
ist jedoch immer auch ein hintergründiger Humor zu erkennen, der
diesen Debütroman zu einer eher amüsanten Lektüre macht. Leider
jedoch bleiben die psychologischen Hintergründe der
Figuren-Konstellation völlig im Dunkeln, obwohl ja gerade darin die
eigentliche Problematik der wechselseitigen Beziehungen zwischen den
drei Protagonisten liegt. Durch diesen Mangel an gedanklicher Tiefe
bekommt die flockig leicht erzählte Geschichte den eher trivialen
Charakter eines oberflächlichen Unterhaltungs-Romans, der von der
grenzenlosen Naivität seines jugendlichen Helden lebt.
1* miserabel -
Bories vom Berg - 22. Dezember 2021

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