MATTHIAS
POLITYCKI
WEIBERROMAN
Gegen
eine Frau hilft nur eine andere Frau
Der «Weiberroman» von Matthias Politycki weist
bereits mit seinem ironischen Untertitel «Historisch-kritische
Gesamtausgabe» auf ein wissenschaftliche Texte persiflierendes
Prosa-Konstrukt hin. Im Jahre 1997 als Kultroman über die
78er-Generation gefeiert, gilt der damalige Bestseller als wichtiges
Werk der literarischen Postmoderne. Sein Figuren-Ensemble verkörpert
die erste, ohne Krieg aufgewachsene Generation des
Jahrhunderts. Als Yuppies oder Dinks sind sie einerseits
karrieregeil, fühlen sich andererseits aber auch der Political
Correctness verpflichtet. Und wie der freche Romantitel verkündet,
geht es thematisch hier um Frauen, die ja, einer uralten Erkenntnis
zufolge, einfach nicht mit Männern zusammen passen.
Genau diese These wird im «Weiberroman» am
Beispiel des 1956 geborenen Gregor verifiziert, dessen Probleme mit
dem anderen Geschlecht hier aus seiner Sicht geschildert werden. Das
in den Jahren 1974 bis 1990 geschriebene Material zu dessen
Autobiografie, bestehend aus einem Konvolut von 3481 ungeordnet
zurückgelassenen Textschnipseln bis hin zu mehrseitigen Abschnitten,
habe Matthias Politycki als Herausgeber «entschlüsselt,
katalogisiert und entsprechenden Handlungssträngen zugeordnet», wird
im Anhang in einer editorischen Notiz erklärt. Diese mühevolle
Arbeit habe Schwärzungen freizügiger «Stellen» unabdingbar gemacht,
und aus Verständnis-Gründen sei auch ein dreißigseitiger
Anmerkungs-Apparat dringend erforderlich gewesen. Hinter dieser
Herausgeber-Fiktion versteckt berichtet Matthias Politycki in den
drei mit «Kristina», «Tania» und «Katarina» betitelten Abschnitten
des Romans von der schwierigen Mannwerdung seines Helden.
Als Schüler in der westfälischen Stadt Lengerich
hat sich Gregor in die überirdisch schöne Kristina verguckt, hinter
der alle her sind. Aber ungeschickt, wie er nun mal ist, kommt er
bei ihr nicht weiter, die Konkurrenz ist einfach zu groß. Nach dem
Abitur beginnt er in Wien ein Germanistik-Studium und lernt die
Zahnarzthelferin Tania kennen, eine kesses Vollweib aus einfachen
Verhältnissen, die breiten Dialekt spricht und intellektuell so gar
nicht zu ihm passt. Er findet schließlich heraus, dass sie bereits
seit zwei Jahren als Model arbeitet und freizügige Bilder von ihr
kursieren. Als 23Jähriger geht er dann nach Stuttgart, wo er eine
Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter antritt. Dort trifft er
auf Katarina, eine elegante Traumfrau, die bei der Lufthansa als
Chefstewardess für interkontinentale Flüge arbeitet. Aber auch diese
Beziehung geht in die Brüche. Gregor kann sich einfach nicht in die
Psyche der Frauen hineinversetzen, die geliebt werden wollen und
ständig auf noch so kleine Zeichen warten, die das immer wieder auch
beweisen. Als Hintergrund zu den schwierigen Paarbeziehungen blendet
Politycki ständig aktuelle politische und kulturelle Geschehnisse in
die Handlung ein. Die Entwicklung in der DDR wird da ebenso
angesprochen und im Anmerkungsteil näher erläutert wie die jeweils
gerade angesagte Musik, sei es die berühmter Pop-Gruppen oder aber
die jener Schlagersänger, deren Schnulzen, aus der Wohnung des
Hausmeisters schallend, an Gregors Nerven zerren.
In Wahrheit erzählt der Studienabbrecher nur
permanent von sich, die Frauen bleiben in diesem Roman letztendlich
Beiwerk, immer nach dem Motto: «Gegen eine Frau hilft nur eine
andere Frau». Meistens wird da von seinen ständigen Sauftouren,
Feten und allerlei Schabernack berichtet, mit auffallend oft auch
olfaktorischen Details. Die durchaus harsche Gesellschafts-Kritik
dieses virtuos erzählten Romans wird gemildert durch den köstlichen
Humor, in den das alles unterschwellig verpackt ist. Dazu tragen
zuweilen eingestreute Passagen mit Wiener oder schwäbischem Dialekt
einiges bei. Es empfiehlt sich übrigens, den Anhang dieses
geistreich unterhaltenden Buches zuerst zu lesen, dann aber auch
jeweils die Fußnoten, weil sie oft weit mehr beinhalten als reine
Anmerkungen.
3* lesenswert -
Bories vom Berg - 30. Dezember 2021
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