ALLEGRO PASTELL
Der vierte Roman von Leif Randt erzählt mit autobiografischem Setting unter dem Titel «Allegro Pastell» von der Liebe zweier Kreativer im Hier und Heute. Der Autor hat seine eigenen beruflichen Aktivitäten und doppelten Wohnorte solidarisch auf seine beiden Protagonisten aufgeteilt. Jerome ist als freiberuflicher Webdesigner auf Video Content spezialisiert und wohnt ländlich in Maintal nahe Frankfurt, Tanja ist erfolgreiche Schriftstellerin und lebt in Berlin-Kreuzberg, mit Blick auf die Hasenheide. Die trendige Beziehungskiste zwischen den Beiden ist Thema dieses Romans einer gescheiterten Liebe. Ganz knapp vor der Pandemie erschienen, hätte man dem Buch wenige Wochen später zur Betonung seines ultra-aktuellen Zeitbezugs doch glatt den Titel ‹Die Liebe in den Zeiten des Corona› geben können.
Letzter darin anstehender Termin ist nämlich der März 2020, spätestens dann wird für Jerome endgültig eine Zeitenwende beginnen, und damit auch für Tanja. Sie wird dreißig während der Erzählzeit 2018/19 und erlebt mit dem 33jährigen Jerome einige intensive Monate des Glücks. Ihre Fernbeziehung ist dank der digitalen Kommunikation nicht weniger innig, als würden sie zusammen wohnen und sich täglich sehen. Sie besuchen sich wechselseitig und fahren auch gemeinsam in Urlaub. Als Tanja nach einigen Monaten psychisch eine Auszeit braucht, fängt ihre Beziehung an zu bröckeln, beide haben kurze Affären, finden dann aber doch wieder zusammen. Als Jerome aber mit einer alten Schulfreundin anbandelt, droht der Liebesbeziehung mit Tanja das Aus, obwohl beide von den Affären des jeweils Anderen wissen und sie scheinbar ungerührt tolerieren, Eifersucht ist ihnen völlig fremd.
Dieser banal erscheinende, in drei «Phasen» erzählte Plot bildet nur den äußerer Rahmen für eine im Kern dem Zeitgeist gewidmete Geschichte, deren dem Mittelstand entstammende, finanziell sorgenlose Figuren den Lifestyle der beginnenden Zwanzigerjahre verkörpern. Da ist Spirituelles mit den Realitäten in Einklang zu bringen, der Freigeist mit der Moral, die sexuelle Libertinage mit dem Wunsch nach Geborgenheit. Das Leben ist für sie eine einzige Dauerparty mit Sex und Drogen, in der flippiges Outfit, schräge Musik, angesagte Clubs, Sternrestaurants und Imbissbuden gleichermaßen das Ambiente bilden. Dieses trendige Milieu wird narrativ überlagert von dem pseudo-intellektuellem Dauergeschwafel der jungen, hippen Romanfiguren, die sich ständig selbst beobachten und zu analysieren versuchen. Ihnen scheint die Welt offenzustehen, sie bilden sich ein, immer cool alles unter Kontrolle zu haben bei ihrer permanenten Sucht nach Wohlfühlmomenten, Alkohol und Drogen helfen ihnen dabei. Zupackende Spontaneität wechselt in der spleenig wirkenden Lebensweise der jungen Leute mit Phasen lähmender Lethargie ab, purer Ennui wird lässig als Lifestyle zelebriert.
Als Sittengemälde der Berliner Republik scheint der Roman, wie eine kritische Milieustudie, die gegenwärtigen Lebensverhältnisse einer Generation von Wohlstandskindern abzubilden. Die artikulieren ihre Befindlichkeiten mit Anglizismen wie «cute» oder «nice» und sind emotional ihr eigener Coach. Dem Milieu geschuldet ist auch der Gebrauch von Emojis im Romantext, Tanja ist nicht geil sondern «horny», an anderer Stelle hat jemand 0% Interesse, man wünscht sich ein Wörterbuch des Neusprech als Nichtdreißigjähriger. Aber auch bei den IT-Begriffen muss man oft nachschlagen, und Gipfelpunkt der Technikversessenheit dürfte die Powerpoint-Präsentation sein, in der Jerome seiner schwangeren Freundin akribisch die Vor- und Nachteile auflistet, wenn sie ihr Kind austrägt. Negativ wäre unter anderem die CO2-Blianz durch den neuen Erdenbürger, positiv wäre beispielsweise, dass man künftig immer eine gute Ausrede hätte bei unliebsamen Einladungen. Mir kommt diese keinesfalls satirisch gemeinte Geschichte geschwätziger Selbstreflektionen wie Wirklichkeit gewordene Virtual-Reality vor, Literatur als Symptom des Heute.
2* mäßig - Bories vom Berg - 14. März 2020
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