MARILYNNE
ROBINSON
GILEAD
Für
Atheisten schwer erträglich
Als erster einer von Marilynne Robinson als Buchreihe geplanten
Folge von Romanen erschien im Jahre 2004 «Gilead», ein auf das
gleichnamige, biblische Land östlich des Jordans hinweisender Titel.
Die deutsche Ausgabe in der aktuell vorliegenden, teilweise
bemängelten Übersetzung wurde erst 2016 herausgegeben. Dieser in den
USA ziemlich erfolgreiche Roman wurde mit dem Pulitzerpreis
ausgezeichnet und vom damaligen Präsidentschafts-Kandidaten Barak
Obama überschwänglich gelobt. Allerdings schreibt die in Deutschland
kaum bekannte US-amerikanische Schriftstellerin keine
leichtverdaulichen Romane. In «Gilead» widmet sie sich vielmehr
schwierigen Menschheits-Themen wie Geburt, Krankheit und Tod in
einer von tiefer Religiosität geprägte Erzählung, die in weiten
Teilen als Briefroman angelegt ist, aber auch als Tagebuch und
Memoir.
Im Jahre 1956 schreibt der in Gilead, einer fiktiven, abgeschiedenen
kleinen Stadt in Iowa, auf dem Sterbebett liegende, weiße Pastor
John Ames einen langen Brief an seinen siebenjährigen Sohn, dem er
darin alles erklären will, was das Leben betrifft. Eine fiktionale
Autobiografie mithin, in der Hochwürden episodisch seine zu
verschiedenen Anlässen entstandenen Aufzeichnungen aneinander reiht.
Er will von seinen Einsichten und Lebenserfahrungen als 76Jähriger
möglichst vieles an den Sohn weitergeben, bevor er wegen seiner
Herzerkrankung dazu bald schon nicht mehr in der Lage sein wird.
Seine Familie lebt bereits seit Generationen in Gilead, sowohl sein
Vater als auch sein Großvater waren schon kongregationalistische
Pastoren dieser Gemeinde, eine seit jeher weitverbreitete Tradition
im weiten Verbund ihrer Familie. Der Vater von John Ames war
überzeugter Pazifist, der Großvater ein radikaler Gegner der
Sklaverei in den USA, der gemeinsam mit Gleichgesinnten im
amerikanischen Bürgerkrieg Guerilla-Aktionen durchgeführt hat und
als Kaplan bei den Truppen der Union mitwirkte.
Beginnend mit der Suche nach dem Grab des Großvaters, der in den
Kriegswirren den Tod gefunden hat, schildert der betagte
Briefschreiber in einer weiteren Episode seine Kommunion, die er in
einer vom Blitz getroffenen Kirche von seinem Vater empfing. Er
schildert aber auch die Geschichte, wie er mit Lila, seiner
wesentlich jüngeren, zweiten Frau, die aus einem bildungsfernen
Milieu stammt, an einem Pfingstsonntag, in seiner Kirche zum ersten
Mal zusammentraf. Die ungleichen Zwei fühlten sich magisch
zueinander hingezogen, er tauft sie sogar, bis sie ihm schließlich,
ganz unkonventionell, einem Heiratsantrag macht und dem 69Jährigen
schon bald einen Sohn schenkt, - den kleinen John, den Ich-Erzähler
dieses Romans. Auch der Apartheid ist eine Episode des Romans
gewidmet, als sein Patensohn Jack, den er par partout nicht mag,
schwer leidet unter der erzwungenen Trennung von seiner
afroamerikanischen Frau. Er darf sie aufgrund der Jim-Crow-Gesetze
zur Rassentrennung nicht heiraten, und auch seine Familie lehnt sie ab.
Dieser erlittene Verlust verbindet Jack ganz besonders mit Lila, der
ein solcher Verlust mit dem drohenden Tod ihres Mannes ja bald schon
bevorsteht.
Der Roman ist geprägt durch die vielen theologischen Sinnkrisen, die
den Ich-Erzähler plagen. Zu denen gehören insbesondere die
unbegreiflichen Taten seines Großvaters im Bürgerkrieg, die schwere
Zeit nach dem Tod seiner ersten Frau, das Entsetzen über seinen
definitiv vom Glauben abgefallenen Bruder und schließlich auch über
den eigenen Vater, der scheinbar ebenfalls den Glauben verloren hat
und seine Gemeinde verließ. All das wird von Zitaten aus der Bibel
begleitet und theologisch kommentiert. Mit reichlich Pathos werden
diese Begebenheiten von dem
sympathisch anmutenden Protagonisten ziemlich gelassen vorgetragen, mit der offensichtlichen Botschaft
zudem,
darüber bloß nicht die kleinen Freuden des Lebens zu vergessen. Moralisch
aufbauend zweifellos, ist «Gilead» als Lektüre allerdings weder bereichernd
noch unterhaltend, - und für Atheisten einfach nur schwer
erträglich!
1*
miserabel - Bories
vom Berg - 30. Mai 2025

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