STEFANIE
SARGNAGEL
IOWA
Das
Land der unbegrenzten Möglichkeiten
«Iowa», das neue Buch der unter ihrem
Künstlernamen Stefanie Sargnagel schreibenden,
österreichischen Schriftstellerin S. Sprengnagel, trägt den
Untertitel «Ein Ausflug nach Amerika». Dieses fiktional
angereicherte Reisetagebuch beschreibt einen Aufenthalt der Wiener
Autorin in der Kleinstadt Grinnell, mitten in der Einöde Iowas. Das
exklusive Elite-College von Grinnell hat sie 2022 zu einem zeitlich
begrenzten Lehrauftrag über Creative Writing eingeladen. Sie reist
zusammen mit ihrer zwanzig Jahre älteren Berliner Freundin, der
Sängerin Christiane Rösinger, die vom College für einen Festabend
engagiert wurde. Und die ist es denn auch, die dem Buch äußerst
amüsante, korrigierende Fußnoten hinzufügt. Wie schon der ulkige
Künstlername vermuten lässt, geht es in dieser Road Novel ziemlich
lustig zu.
Genüsslich arbeitet die Autorin in ihrer
Geschichte alle, aber auch wirklich alle Klischees ab, die es über
die USA gibt, und zwar alle, die man schon kennt, und viele, die es
noch zu entdecken gibt in diesem Buch. Für die beiden
Großstädterinnen ist das langweilige Kaff ein Kulturschock der
besonderen Art. Und es ist nicht nur das allgegenwärtige Fast Food,
es sind auch ansprechend erscheinende Restaurants, die sich als
permanente Enttäuschung und resigniert hinzunehmendes Ärgernis
herausstellen. Erstaunt sehen sie in einer Bar zum Beispiel ein Glas
voller eingelegter Truthahnmägen, Gipfel der skurrilen Genüsse, die
man in Iowa offensichtlich goutiert. Die beiden Frauen taumeln von
einer kulinarischen Zumutung zur nächsten und landen in «abgeranzten
Bierspelunken». Nichts schmeckt, alles ist lieblos zubereitet. Und
das gilt nicht nur für die amerikanische Küche, sondern auch für die
dort häufig vertretene asiatische, welche die Beiden aus Österreich
oder Deutschland ganz anders kennen. Und bei den Getränken ist es
besonders die überall gleiche Plörre, die man bekommt, wenn man
Kaffee bestellt, was die Freundinnen dann jedes Mal aufs Neue
verzweifeln lässt.
Die Beiden erleben bei ihren
Ausflügen immer wieder skurril anmutende Überraschungen, sei es in
den kleinen Läden des Ortes, in merkwürdigen Museen, in Second Hand
Shops, in den Waffengeschäften oder im Walmart, dem riesigen
Supermarkt. Oft spazieren sie durch den menschenleer erscheinenden
Ort, wo niemand mehr zu Fuß unterwegs ist und man selbst für
zweihundert Meter lieber ins Auto steigt als zu laufen. Die Menschen
sind fast alle übergewichtig, ernähren sich falsch und bewegen sich
zu wenig. Mit scharfem Blick erfasst die Autorin all die kulturellen
Unterschiede und erzählt sie dann liebevoll spöttisch, aber
schonungslos ehrlich, manchmal sarkastisch, aber unverkennbar auch
voller Sympathie. Ihr Vergleichs-Maßstab dabei ist das für sie
vermeintlich anarchische, politisch rechtslastige Österreich.
Die Kettenraucherin Stefanie Sargnagel gibt sich
im Buch als typisch grantelnde Wienerin, die ihren Frust im Alkohol
ertränkt, und ihre Freundin hält als bühnenerprobte Punksängerin
dabei meistens wacker mit. Die Autorin, eine ausgewiesene
Feministin, spricht mit ihr über ihren latent vorhandenen
Kinderwunsch, übers Älterwerden, über Künstlertum,
Geschlechterrollen oder über die Abtreibungs-Debatte in den USA. Sie
verliert sich, meist leicht beschwipst, in unpathetischen
Selbst-Analysen oder sinniert zum Beispiel über
Frauen-Freundschaften. Und es ist denn auch gerade ihre
Freundschaft, die verschiedenen Charaktere der Beiden, die den
besonderen Reiz dieses Buches ausmachen, besonders in den funkelnden
Wortgefechten. Sprachlich salopp und
immer ironisch wird hier ein Klischee nach dem anderen bedient. Dabei
bieten sich jedoch en passant auch viele erkenntnisreiche Einblicke
in das «Land der unbegrenzten Möglichkeiten», zu denen leider auch
eine durch keinerlei soziale Unterstützung abgemilderte, geradezu archaisch
anmutende Armut gehört.
4* erfreulich - Bories
vom Berg - 30 . August 2024
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