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IGNAZIO SILONE

 

DAS GEHEIMNIS DES LUCA

 

Vierzig Jahre Schweigen

 

Unter dem Pseudonym Ignazio Silone hat der italienische Politiker und Autor Secondino Tranquilli ein relativ kleines Œeuvre geschaffen, wobei einige seiner Werke eine liebevolle Hommage an seine Heimat in der Provinz L’Aquila der Region Abruzzen darstellen. Und dazu gehört zweifellos auch der Roman «Das Geheimnis des Luca», ein bedeutendes Werk der italienischen Literatur, das im Jahre 1956 im Original erstmals erschien, ein Jahr später dann schon in deutscher Übersetzung vorlag und den Autor auch hier bekannt machte.

 

Silone hatte ein bewegtes politisches Leben in verschiedensten Funktionen, er war für die Sozialisten und eine Zeit lang auch für die Kommunisten Italiens vor allem journalistisch tätig. Wegen seiner politischen Gesinnung wurde er mehrmals interniert und musste während der Zeit des Faschismus dann ins Schweizer Exil gehen. Als Mitglied des Komintern für die Kommunistische Partei Italiens erlebte er aus nächster Nähe den Aufstieg Stalins zum verabscheuungswürdigen Diktator, eine Erfahrung, die ihn mit dem Kommunismus brechen ließ, er trat aus der Partei aus und wandte sich wieder den Sozialisten zu. Seine politische Orientierung ist Ergebnis seiner Erfahrungen in der Jugend, das Leben in einer kargen, rauen Bergregion, die ihre Bewohner in besonderer Weise prägt. Schon als Fünfzehnjähriger verlor er seine Mutter und fünf Geschwister bei einem schweren Erdbeben, kämpfte mit den Landarbeitern gegen die feudalen Großgrundbesitzer und engagierte sich beim Protest gegen die Tatenlosigkeit der Politiker bei der Aufarbeitung der Erdbebenschäden. Ein Unvermögen übrigens, an dem sich auch Jahrzehnte später rein gar nichts geändert hat, wie jeder erstaunt feststellen wird, der nach dem Erdbeben vor fünf Jahren die besonders stark betroffene Stadt L’Aquila heute mal besucht.

 

Der vorliegende Roman erinnert mit seiner scheinbar zeitlosen, ebenso weltentrückten wie unbeirrbaren Liebesbindung an Gabriel Garcia Marquez, nur dass Florentino dort nach fast lebenslanger Wartezeit am Ende seine Hermina doch noch bekommen hat in dem berühmten Roman «Die Liebe in den Zeiten der Cholera». Solch ein spätes Happyend ist Luca aber nicht beschieden, so viel kann hier gesagt werden, ohne der Geschichte, die allein mit dem Wort «Geheimnis» im Titel ja schon neugierig macht, ihre Spannung zu nehmen. Denn man ahnt gleich zu Beginn, als ein alter Mann nach vierzig Jahren, die er unschuldig im Zuchthaus verbracht hat, in sein Heimatdorf in den Abruzzen zurückkehrt, dass hinter den vielen Rätseln eine Frau stecken dürfte. Luca wird von fast allen Dorfbewohnern argwöhnisch beäugt und gemieden, nur der alte Pfarrer Don Serafino und der ehemalige Dorflehrer Andrea Cipriani, der vom Schuldienst in die Politik übergewechselt ist, halten zu ihm. Letzterer ist es dann auch, dem das Geheimnis keine Ruhe lässt, ganz besonders nämlich treibt ihn die Frage um, warum Luca sich im Prozess einst nicht verteidigt hat und ihm auch jetzt, nach seiner Begnadigung, immer noch kein Sterbenswörtchen zu entlocken ist. Denn dass er den ihm zur Last gelegten Raubmord nicht begangen hat, ist inzwischen längst belegt, mehr will ich aber hier nicht verraten.

 

Der Reiz dieses Romans liegt in der klug erdachten, spannenden Geschichte, die der Autor ruhig und gelassen erzählt, ohne jede dramatische Effekthascherei, die karge Landschaft gibt also auch sprachlich die Richtung vor. Alle Figuren sind sehr liebevoll gezeichnet, sie wirken glaubwürdig und oft auch sympathisch, besonders in den vielen, durchweg lebensechten Dialogen, die den Leser häufig mal schmunzeln lassen. Eine solch angenehme, in schnörkelloser Sprache verfasste Lektüre legt man ungern zur Seite, ehe man nicht den letzten Satz gelesen hat, ehe nicht alles geklärt ist in dieser emotional anrührenden Geschichte.

 

3* lesenswert - Bories vom Berg - 23. Mai 2014

 

 

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