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RUTH-MARIA THOMAS

 

DIE SCHÖNSTE VERSION

 

Feministische Grenzüberschreitung

 

Der Debütroman «Die schönste Version» von Ruth-Maria Thomas greift ein Thema auf, das so alt ist wie die Menschheit, die Beziehung zwischen Mann und Frau, hier allerdings in einer toxischen Variante. Das Buch wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert und von den Feuilletons wie auch in Leser-Kommentaren positiv aufgenommen, weil es das Entstehen einer toxische Beziehung und deren Vorbedingungen plausibel und in einer tiefgründigen, geradezu sezierenden Weise offen legt.

 

Gleich zu Beginn des Romans eskaliert ein heftiger Streit der Studentin Jella mit ihrem eifersüchtigen Freund Yannick, der sie eine Hure nennt und handgreiflich wird. Das Gerangel der Beiden endet damit, dass er sie würgt und ihr dabei Mund und Nase zuhält, sie droht zu ersticken. In Todesangst greift sie nach einer Pfeffermühle und schlägt sie ihm auf den Kopf, woraufhin er sie loslässt. Jella flieht aus der Wohnung und sucht Hilfe bei einer gerade vorbei kommenden  Joggerin, die ihr dringend rät, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Was sie, nach kurzem Zögern, dann auch tut. In Rückblenden erzählt Jella von ihrer Jugend in einem kleinen Städtchen in der Lausitz, das von Kiesgruben bedrängt ist. Ihre Mutter ist vor der Tristesse der ländlichen Umgebung in die Stadt geflüchtet, Jella wohnt nun bei ihrem wortkargen, genügsamen Vater. Sie gehört zu den Digital Natives, ist eine gute Schülerin und, wie ihre Freundinnen auch, an Kleidern und Kosmetika interessiert, will den Jungens gefallen. Ihre Unschuld verliert sie bei einer Vergewaltigung, hat dann einige One-Night-Stands und trifft schließlich auf den deutlich älteren Yannick. Er ist zeichnerisch begabt, fühlt sich als Künstler, muss aber für seinen Lebensunterhalt arbeiten gehen. Ihre Liebe ist wie ein Rausch, Jella erlebt eine beglückende Sexualität, sie können beide nicht genug voneinander bekommen. Als sie schließlich zusammen eine Wohnung mieten, scheint Jellas Glück vollkommen.

 

In dieser Geschichte einer schwierigen Frauwerdung wird ungeschönt und in einer das Milieu stimmig abbildenden Sprache geschildert, wie die Protagonistin vergeblich versucht, ihr Leben ‹auf die Reihe zu bekommen›. Sie taumelt mit ihren Freundinnen mächtig ‹aufgedonnert› und alkoholisiert von Party zu Party, ist aber immer enttäuscht von den Männern, mit denen sie sich dabei abgibt, weil deren Motive durchschaubar und deprimierend zugleich sind. Jella ist durch kitschige weibliche Ideale geprägt, die sie mit Yannis als verwirklicht betrachtet, bis alltäglicher Zwist die vermeintliche Idylle zunehmend stört, was bei Beiden zu wachsender Aggressivität und schließlich zu der gewalttätigen Grenzüberschreitung führt. Entsetzt versucht Jella, die wieder zu ihrem Vater gezogen ist, die erlittene Gewalt herunterzuspielen. Sie habe ja schließlich kein blaues Auge abbekommen und keine äußerlichen Verletzungen erlitten, sie sei ja nicht verprügelt worden, - also alles halb so schlimm? Sie überlegt sogar ernsthaft, ihre Strafanzeige zurückzuziehen, will sich wieder mit Yannis versöhnen, sie haben doch so gut zusammen gepasst, und er war immer so liebevoll zu ihr.

 

Die Autorin versteht es, die sentimentalen Träume ihrer desorientierten Heldin bis in die tiefsten Abgründe auszuleuchten, ohne je auf vorgezeichnete psychologische Deutungsmuster zurück zu greifen. Sie schildert vielmehr, mit dem authentisch klingenden Vokabular ihrer jungen Protagonistin, im Jugendsprech der Millenniels also, deren widersprüchliche Prägungen, die sie zu allerlei realitätsfernen Gedankengängen verleiten. Leider aber führen ihre chaotischen Traumbilder Jella nicht zu einem stimmigen Lebensentwurf hin, da passt Vieles nicht zusammen in ihrem Weltbild. Es ist die für «ältere Semester» unter den Lesern bereichernde, minutiöse Darstellung dieser inneren Zerrissenheit, die den in seinem Plot ziemlich spannend angelegten, feministischen Roman zu einer empfehlenswerten Lektüre macht.

 

4* erfreulich - Bories vom Berg - 13. Dezember 2024

 

 

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