SCOOP
Der satirische Roman «Scoop» des britischen Schriftstellers Evelyn Waugh wurde 2015 von einer internationalen Jury auf die BBC-Liste der 100 bedeutendsten britischen Romane gewählt. Schon im Titel des 1938 erschienenen Buches, den man mit ‹sensationelle Exklusivnachricht› übersetzen kann, wird seine Thematik deutlich, es geht um Journalismus in dieser Satire auf die Fleet Street, dem einst traditionellen Zentrum der Presse in London. Angeregt dazu wurde Waugh durch seine Tätigkeit als Korrespondent bei der Krönung von Haile Selassie in Abessinien, ein Job, über den er im Vorwort schreibt: «Ich hatte kein großes Talent dafür, studierte aber mit großem Vergnügen die Schrullen und Ausschweifungen meiner Kollegen». Geradezu zynisch beschreibt der politisch erzkonservative, kulturpessimistische Autor einen Umsturzversuch im ostafrikanischen Ismaelia, wie er das Land im Buch nennt, ebenso sarkastisch aber auch das heimische Milieu seines Protagonisten, der nach eigenen Worten «anachronistischste Teil» seines Romans. «Jüngere Leser müssen meiner Versicherung Glauben schenken, dass es solche Menschen samt ihren Bediensteten vor nicht allzu langer Zeit tatsächlich gegeben hat».
Der junge William Boot, Mitglied einer verarmten Familie des Landadels, hat eine Stellung als zuständiger Autor für die völlig unbedeutende Natur-Rubrik «Üppige Auen» bei der Tageszeitung Daily Beast inne, sie bringt ihm pro Beitrag eine Guinee ein. Durch eine Verwechslung mit dem Schriftsteller John Boot wird er als Sonderkorrespondent nach Ismaelia geschickt, weil dort ein Krieg auszubrechen droht. Der einem realen Korrespondenten nachempfundene William taumelt schon auf der Reise dorthin durch eine wirre Abfolge von haarsträubenden Ereignissen. Wahrhaft slapstickartig entwickeln sich dann auch die Verhältnisse in dem von einem Familienclan beherrschten Land, alle Korrespondenten sind auf der Jagd nach Informationen, aber nichts passiert dort wirklich. Als sie dann allesamt dem Mentor ihrer Zunft in eine angeblich für die erwarteten Ereignisse wichtige Wüstenstadt folgen, eine Sensation witternd, bleibt nur William in der journalistisch verwaisten Hauptstadt zurück, er weiß nämlich, dass die fragliche Stadt überhaupt nicht existiert. Und prompt bricht genau zu diesem Zeitpunkt ein von russischen Agenten unterstützter Putsch aus, der Präsident wird samt Familie festgesetzt, - und William hat seinen Scoop, er kann als einziger Journalist davon berichten.
Nach London zurückgekehrt, wird er als großer Journalist gefeiert, auf Veranlassung seines Zeitungsverlegers soll er sogar in den Adelsstand erhoben und mit einem großen Bankett geehrt werden. Was ihm aber gar nicht recht ist, er möchte lieber seine Ruhe haben und scheut die Öffentlichkeit. Natürlich hat Evelyn Waugh auch hier noch eine kuriose Szene eingebaut, irgendwoher muss die Redaktion ja nun einen neuen Boot auftreiben, sonst droht Ungemach vom allmächtigen Chef. Nachdem auch John Boot ausscheidet, weil er sich, - scheinbar auf der Flucht vor einer Frau -, in die Antarktis hat versetzen lassen, ist Williams Onkel Theodor Boot die letzte Rettung als Adels-Kandidat, ein geschwätziger Möchtegern-Schriftsteller.
Diese köstliche Persiflage auf die Sensations-Presse wird chronologisch erzählt und ist in einfacher Sprache geschrieben, weitgehend in Dialogform. Natürlich hat sich der Autor damit in der Fleet Street keine Freunde gemacht, es wurden etliche Prozesse geführt, die er aber alle gewonnen hat. Der etwas verzwickte Plot mit seinen tollpatschigen Figuren erinnert in seiner Machart an einschlägige Stummfilm-Klamotten, die beißende Kritik des kulturpessimistischen Autors deutet gleichwohl unübersehbar auf die Kuriositäten eines von ihm als chaotisch empfundenen Lebens des modernen Menschen hin. «So wie glücklichere Menschen Vögel beobachten, so beobachte ich Menschen», hat Evelyn Waugh seine Arbeitsweise beschrieben, - es macht Spaß, ihm dabei zu folgen.
3* lesenswert - Bories vom Berg - 12. August 2019
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