JULI ZEH
NULLZEIT
Schuster bleib bei deinen Leisten!
Mit dem geheimnisvollen Titel des neuen Romans von Juli Zeh ist für Kundige auch
gleich das Milieu genannt, in dem die Autorin ihre in der Gegenwart spielende
Geschichte angesiedelt hat, es geht ums Tauchen. Das im Klappentext als
«Psychothriller» bezeichnete Buch entführt den Leser in einem wahrhaft
abenteuerlichen Plot in die Welt eines Aussteigers auf Lanzarote, der dort mit
seiner Freundin zusammen eine Tauchschule betreibt. In diese abgeschiedene
Idylle hinein platzt ein ziemlich neurotisches Pärchen und zerstört sie für
immer.
Verhaltensanomalie ist übrigens auch das Kennzeichen der anderen Protagonisten,
jeder hat so seine Macke. Genau da aber liegt eine Schwäche dieses Buches, denn
die Psyche aller Charaktere ist weder glaubwürdig noch tiefgründig dargestellt,
alle bleiben seltsam langweilig und farblos. Das gilt für die um ihre Karriere
bangende junge Schauspielerin Jola ebenso wie für den von ihr ausgehaltenen,
erfolglosen Schriftsteller Theo, die sich ohne erkennbaren Grund gegenseitig
nach dem Leben trachten. Plausibilität ist keine Eigenschaft des haarsträubenden
Plots, er ist bei aller Raffinesse in der Konstruktion damit letztendlich
unglaubwürdig, man fühlt sich irgendwie unwohl bei der Lektüre, weil einiges
absolut nicht zusammenpasst.
Neben dem Hauptstrang des Ich-Erzählers und Tauchlehrers Sven blendet Juli Zeh
immer wieder im Wechsel die Tagebuchaufzeichnungen von Jola ein, die eine
zunehmend abweichende Geschichte erzählt, was als dramaturgisches Mittel den
Leser wohl irritieren soll, seine Gewissheiten fragwürdig erscheinen lässt. In
einer klaren, fast spröde wirkenden Sprache mit bühnentauglich formulierten
Dialogen erzählt die Autorin leichtfüßig und unbekümmert eine kuriose
Dreiecksgeschichte, deren Hintersinn jedoch verborgen bleibt. Man wird bestens
unterhalten jedenfalls, der Spannungsbogen steigert sich kontinuierlich und
mündet dramaturgisch wirkungsvoll in einen Showdown, den man zu Recht als filmreif bezeichnen kann.
Bereichert aber wird man nicht mit diesem schnell lesbaren Buch. Ein Rezensent
hat es nicht ganz zu unrecht als U-Bahn-Lektüre bezeichnet, was bei einer mit
Buch-Preisen überhäuften Autorin mit dem Renommee, anspruchsvolle Literatur zu
schreiben, mich denn doch sehr überrascht hat. War da mit Sex and Crime ein
Bestseller geplant, mit Riesenauflage? Das aber können andere deutlich besser,
und nicht nur Patricia Highsmith. Schuster bleib bei deinen Leisten!
2*
mäßig - Bories vom Berg - 21. Juni 2013
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