LEERE HERZEN
Auch in ihrem neuen Roman «Leere Herzen» finden sich erzählerische Elemente, welche typisch sind für die politisch engagierte Juli Zeh, die seit 2017, - aus Trotz, wie sie erklärt hat -, Mitglied der SPD ist, eine vehemente Kritikerin des demokratiemüden Zeitgeistes. Und so sei denn auch ihr dystopischer Roman, ursprünglich ein reines Gedankenspiel, wie sie im Interview erklärte, in den zwei Jahren seines Entstehens - zum Teil zumindest - bereits von der Wirklichkeit eingeholt worden, - als Prognose allerdings sei er trotzdem nicht anzusehen. Insoweit kann man das Buch aber, neben seinem zweifellos im Vordergrund stehenden Unterhaltungswert, auch als einen Weckruf zu politischer Teilhabe verstehen, zur Abkehr von einer um sich greifenden Politikverdrossenheit in Deutschland, mit all den fatalen Folgen für das jahrzehntelang stabile Parteiengefüge. Das Timing für diesen Roman hätte jedenfalls besser kaum sein können!
Im Jahre 2025, nach Angela Merkels Rücktritt (sic!), regiert in Deutschland die BBB, die populistische «Besorgte-Bürger-Bewegung», und breite Schichten Politikverdrossener sind mangels eigener Überzeugungen einfach in die innere Emigration abgetaucht. Als die toughe, aber ebenfalls völlig desillusionierte Britta auf den scheinbar lebensmüden Babak trifft, ein Nerd durch und durch, entsteht spontan die Idee für ein gemeinsames Unternehmen, das aktiv und wirksam in das desaströse politische Geschehen eingreifen kann. Jemand, der Suizid begehen will, so die Überlegung, könne seinen geplanten Tod doch zusätzlich auch noch zu einer wirkungsvollen politischen Aktion nutzen im Kampf gegen die verhasste BBB. Klar, die mit ihren Sprengstoffgürteln Tod und Verderben verbreitenden, islamistischen Selbstmordattentäter standen Pate bei dieser radikalen Geschäftsidee.
Und tatsächlich, der von Babak entwickelte, geniale Algorithmus fischt potentielle Kandidaten aus dem Internet, mit denen die Firma dann diskret Kontakt aufnimmt, um sie später, - nach allerstrengsten Auslesekriterien, versteht sich -, mit ausgeklügelten Trainingsmethoden auf ihren Einsatz vorzubereiten. Diese suizidalen lebenden Bomben werden als Attentäter anschließend ebenso diskret verschiedenen «Organisationen», die sehr hohe Summen dafür zu zahlen bereit sind, für robuste Einsätze angeboten. «Die Brücke» hat sich in Folge zu einer hochprofitablen Firma entwickelt und Britta und Babak sehr schnell sehr reich gemacht. Ihr todbringendes Geschäft bekommt aber plötzlich Konkurrenz, der als Politthriller apostrophierte Roman handelt im Wesentlichen von dem erbitterten Kampf gegen unbekannte Trittbrettfahrer, die unter dem Namen «Leere Herzen» einen dilettantischen Anschlag verübt haben. Anscheinend ist ihnen jedes Mittel recht, «Die Brücke» auszubooten.
Dieser lebensgefährliche Machtkampf mit seinen Thrillerelementen wird von einem auktorialen Erzähler in einer anspruchslosen, uninspirierten Sprache erzählt, zumeist in langen Dialogen. Die Charaktere sind wenig überzeugend angelegt, sie wirken blutleer und sind merkwürdig emotionslos. Bis auf die junge Julietta mit ihrer unbeirrbaren Todessehnsucht, die als einzige Empathie zu erzeugen vermag und den Erlös aus ihrem Selbstmordattentat dem Tierschutz vermachen will. Was da aber, einer wohl zeitbedingt vorherrschenden, narrativen Mode folgend, - also im Präsens -, geschildert wird, ist allerdings so abstrus, dass man als vernunftbegabter Leser sehr schnell die Lust verliert an dieser sich schlau dünkenden Dystopie. Der Plot ist grotesk überfrachtet, lässt kaum eines der gängigen Klischees aus und verbreitet, anbiedernd geradezu, seine vor Moral triefende Botschaft, - aufdringlich und plump nach der Holzhammer-Methode. Eskapistisch orientierte Leser sehen sich womöglich bestätigt in diesem desaströsen politischen Lehrstück, andere aber staunen, wie eine so gescheite Schriftstellerin so grandios scheitern kann mit dem Versuch, ihre politischen Horrorvisionen in Romanform zu verbreiten.
1* miserabel - Bories vom Berg - 19. Februar 2018
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