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Der moderne Roman

Das Triumvirat und Thomas Mann

 

Sodann gibt es für mich ein Triumvirat von Autoren, denen man in der Literatur immer wieder begegnet, die immer wieder von anderen Autoren erwähnt werden: Robert Musil, James Joyce und Marcel Proust. Auch diese Drei sind ein Muss für den Verständnis-Hintergrund moderner Literatur, ohne den man viele Hinweise und Andeutungen gar nicht versteht. Ganz abgesehen davon, dass ihre berühmten Werke einen Status haben wie Rembrandts «Nachtwache» in der Malerei. Wer ihn nicht kennt, der lese also Musils Roman «Der Mann ohne Eigenschaften», wenigstens den ersten Band, die zwei anderen mit unvollendeten Fragmenten kann man sich sparen, sie bringen kaum zusätzlichen Gewinn für den Leser.

 

Als junger Mann, noch in der Ausbildung zum Elektroniker, habe ich bei meinem jüngeren Bruder, der von frühauf literarisch interessiert war und später denn auch prompt Germanistik studiert hat, den «Ulysses» von James Joyce auf dem Schreibtisch liegen sehen. Ich habe spontan angefangen, diesen berühmten Roman zu lesen, mehr aus Neugier denn aus Kenntnis von dessen literarischem Rang. Nach kaum fünfzig Seiten habe ich entnervt aufgehört, so abstrus erschien mir das, was ich da gelesen habe, ich hatte keinerlei Zugang zu dem Text, er sagte mir rein gar nichts, ich war sogar ziemlich entsetzt. Jahrzehnte später begann ich mich dann auch für Literatur zu interessieren, und natürlich stieß ich dabei irgendwann wieder auf den «Ulysses». Diesmal fand ich dieses, den Verlauf eines einzigen Tages im Leben dreier Protagonisten schildernde Buch, es war übrigens der 16. Juni 1904, wirklich grandios, was ich natürlich auf mein reiferes Alter zurückgeführt habe, mein Bruder hingegen auf die neuere und bessere Übersetzung. Und tatsächlich war ich beim zweiten Lesen nicht mehr auf die mir idiotisch erscheinenden Worte gestoßen, die sich mir seit meiner ersten Lektüre unlöschbar ins Gedächtnis eingebrannt hatten. Wie auch immer, den «Ulysses» muss man einfach gelesen haben, das steht heute für mich fest, auch wenn ich nicht so weit gehe wie manche Joyce-Fans, die alljährlich den 16. Juni, nach der Hauptfigur Leopold Bloom benannt, als «Bloomsday» gebührend, also meist feuchtfröhlich feiern!

 

Dritter im Bunde ist Proust mit seinem Roman «À la recherche du temps perdu», wobei ich den Originaltitel hier nicht etwa aus Angabe benutze, - ich kann gar kein Französisch -, sondern weil in der Literaturwelt oft nur kurz von der «Recherche» gesprochen wird, wenn von «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» die Rede ist. Dem aufmerksamen Leser ist vielleicht aufgefallen, dass meine Ehrfurcht vor diesem Werk so weit geht, dass ich beim Titel dieses Essays mich ganz unbescheiden an Proust angelehnt habe. Mit etwa 5.300 Seiten ist dieser 7teilige Roman rekordverdächtig, was den Umfang anbelangt, es dürfte deshalb auch nur wenige Leser geben, die das alles komplett gelesen haben. Literarisch jedoch ist die «Recherche» einzigartig, und zwei, drei Teile davon kann man ruhig mal lesen, man schwimmt regelrecht mit auf einem Meer von wohlgesetzten Worten in einem traumhaften Prozess des Erinnerns. Mir sage niemand, so was liest doch heute keiner mehr, ganz aktuell, auf der Buchmesse 2013, wurde die «Recherche» in neuer Übersetzung präsentiert, es muss also doch noch Leser geben dafür! Die vergehende Zeit ist übrigens auch Thema eines ambitionierten, auf mehrere Teile angelegten Romanprojektes von Peter Kurzeck. Ich habe vorab schon mal den ziemlich voluminösen Roman «Vorabend» aus diesem Zyklus mit großem Genuss gelesen, - aber das nur nebenbei, als Kür sozusagen. Proust jedoch ist ein Muss!

 

Das Triumvirat Musil, Joyce und Proust rechnet man mit den drei genannten Werken zu den Begründern des modernen Romans, und in Deutschland sind es die «Buddenbrooks» von Thomas Mann, die dieses literarische Zeitalter eingeläutet haben. Auch diesen Roman muss man gelesen haben, behaupte ich, und Theodor Fontane aus dem Jahrhundert davor gehört mit seinem Alterswerk «Der Stechlin» für mich ebenfalls zum literarischen Kanon, zu den «mustergültigen Schriftstellern» also. Aber damit will ich es auch schon bewenden lassen, das Genannte ist die Pflicht, um im Jargon des Eiskunstlaufs zu sprechen, alles andere wäre die Kür, also von jedem Einzelnen ganz individuell gestaltet auf seiner sehr persönlichen Reise durch die literarische Welt.

 

© Copyright 2013  Bories vom Berg

 

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