Wie es weitergeht Vom Abschneiden alter Zöpfe
Womit wir auch bei der Frage sind, ob die Erzählung in papierner Form eine Zukunft hat, ob uns also die Geschichten weiterhin gedruckt übermittelt werden oder elektronisch, wie es sich mit dem E-Book ja bereits abzeichnet. Erste Geschichten hat der Mensch in Stein gemeißelt, dann in Ton geritzt und gebrannt, mit Tinte auf Papyrusrollen geschrieben, später handschriftlich auf Papier und in Büchern gebunden, und nach Gutenbergs Erfindung dann ab Ende des Mittelalters nicht mehr durch Abschreiben manuell vervielfältigt, sondern gedruckt. Daran hat sich im Prinzip nichts geändert bis zum heutigen Tage, aber bleibt das so?
Als vor vielen Jahren die ersten Digitalkameras aufkamen, haben mir damals die Fotografen unisono versichert, das würde sich nie durchsetzen, - inzwischen fotografieren selbst viele Profis nur noch digital. Und genau so argumentieren heute viele Buchleser, denen es völlig undenkbar erscheint, den Text vom Bildschirm abzulesen und nicht vom Papier. Die Praxis wird auch sie widerlegen, vermute ich mal. Aber noch sind die wohlgefüllten Billy-Regale als Beweis für die eigene Belesenheit unverzichtbar, ein geistbezogenes Statussymbol, das sich aus den Zeiten des bildungsbeflissenen Bürgertums im 18. und 19. Jahrhundert erhalten hat, wo private Bibliotheken ja nicht selten sogar in einem eigenen Raum untergebracht waren. Der Philosoph Seneca hat sich vor zweitausend Jahren schon über diese protzige Zurschaustellung von Büchern lustig gemacht und dabei insbesondere die berühmte Bibliothek von Alexandria aufs Korn genommen. Mit der persönlichen E-Book-Bibliothek unserer Tage, egal wie groß sie ist, wird man niemandem mehr imponieren können, und die bibliophile Sammelwut lässt sich damit auch nicht befriedigen!
Aber wenn das Ganze irgendwann sowieso elektronisch abläuft, dann kauft man sich vielleicht statt dem E-Book besser gleich das Hörbuch, gelesen von einem erstklassigen Sprecher, der das Werk des Autors kongenial ergänzt und zu einem echten Erlebnis werden lässt. Nicht anders übrigens als der Musiker, mit dessen Kunst aus der geschriebenen Partitur des Komponisten ja auch erst ein musikalisches Ereignis wird. - Dann hat man nebenbei bemerkt nicht nur die Hände frei, sondern auch den Kopf. Man kann sich mit geschlossenen Augen ganz seinen Phantasien hingeben, wenn man dem Vortrag lauscht, kann völlig unbeschwert das Kino im Kopf genießen, sich dem Rausch der Bilder überlassen. Dieser Fortschritt wäre ähnlich epochal wie der beim Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm. Warum sollte denn ausgerechnet die Literatur an den alten Zöpfen festhalten?
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