Autoren     Buchtitel

 

GERHARD FALKNER

 

ROMEO ODER JULIA

Kommentar lesen

Gerhard Falkner - Romeo oder JuliaOrgasmusfrühstück

 

Folgt man der Definition Goethes, ist diese Prosa Gerhard Falkners mit dem deskriptiven Titel «Romeo oder Julia» eine Novelle, kein Roman, erzählt sie doch eindeutig von einer «unerhörten Begebenheit», die sich ereignet hat. «Die in Teil 1 Innsbruck geschilderten Vorfälle haben in allen Details so stattgefunden», lässt uns der Autor in seiner Nachbemerkung wissen. Dass hier (mal wieder) ein Schriftsteller als Protagonist fungiert (sic!), weist ja überdeutlich auf die autobiografische Basis des Erzählten hin. So was muss kein Nachteil sein, zeugt andererseits aber auch nicht gerade von besonderer Kreativität, geschweige denn Phantasie des Schriftstellers, seine Thematik betreffend.

 

Ich-Erzähler Kurt Prinzhorn, angesehener Lyriker, viel beschäftigter Teilnehmer an allerlei literarischen Tagungen und Bohemien mittleren Alters, wird in Innsbruck zum Stalking-Opfer. Jemand ist in sein Hotelzimmer eingedrungen und hat offensichtlich dort ein Bad genommen, lange schwarze Haare und Seifenreste in der von ihm nicht benutzten Badewanne sind eindeutige Indizien. Polizei und Hotelleitung sind eher skeptisch und bleiben es auch dann noch, als später der Schlüsselbund und eine Mappe mit Notizbüchern des Poeten aus seinem Zimmer verschwinden. In den zwei Teilen «Moskau» und «Madrid» der dreiteiligen Geschichte wird Kurt anschließend mit unter der Zimmertür durchgeschobenen Zetteln rätselhaft wirren, auch obszönen Inhalts belästigt, bis sich im dramatischen Showdown am Ende dann alles aufklärt, - für den Leser kaum überraschend übrigens.

 

Die Erzählung beginnt sprachlich gekonnt in einem mit feiner Ironie angereicherten, angenehm lesbaren Plauderton, chronologisch und sehr plausibel erzählt, mit eher knappen Dialogen. Dabei empfindet man die häufigen Abschweifungen in Literatur, Kunst und Popkultur durchaus bereichernd, wobei sich die Intertextualität dieser Prosa weitgehend auf Lyrik bezieht, der «Ort ohne Eigenschaften» für ein langweiliges Kaff im Nördlinger Ries ist da die löbliche, schon fast geniale Ausnahme. Als intertextuell kann man demgegenüber schon «Raskolnikow» nicht mehr werten, - denn der erscheint hier nicht als Metapher, sondern als von Kurt so getaufter, hungriger Moskauer Straßenköter. Gerhard Falkner nutzt die literarische Insider-Perspektive aber auch für einige ebenso amüsante wie drastische Seitenhiebe auf seine Zunft und gefällt sich in von ihm geschaffenen, verblüffenden Neologismen, zu denen auch das von mir im Titel genannte «Orgasmusfrühstück» gehört. Womit ein weiteres Stichwort gegeben ist, diese Geschichte wird aus einer unverhohlen machohaften Perspektive erzählt, bei der die Frauen dem chauvinistischen Helden geradezu nachlaufen und ihm widerstandslos erliegen, so er denn interessiert ist. Elke Heidenreich hat für solcherart selbstgefällige Erzählerpose mal sehr zu Recht bei einem deutschen Nobelpreisträger den Begriff «eklige Altmännerliteratur» geprägt. Für Zweifler sei vorsorglich angemerkt, dass der Rezensent ein Mann ist, - mit allem, was einen solchen ausmacht -, und keineswegs eine kampfeslustige Feministin!

 

Der Plot verliert im zweiten Teil deutlich an Fahrt, in Moskau wurde nur maßlos gesoffen, ist mir als Leser gerade noch in Erinnerung geblieben, und in Madrid schließlich tändelt der egozentrische Held mit einer schönen, toughen Frau herum, die man diesem durch nichts zu beeindruckenden, sich selbst aber allzu wichtig nehmenden Unsympath gar nicht gönnt. Der eitle Smalltalk bei den literarischen Treffen nervt den Leser irgendwann gewaltig, der zuweilen durchscheinende schizophrene Hintergrund des Plots bleibt Beiwerk, er wird vom Autor nicht weiter thematisiert. Das eher lustlose Ende zeigt nichts mehr von der anfänglichen Erzählkraft des Autors und wirkt in seiner Vorhersehbarkeit geradezu kitschig, es läuft zudem so rasant ab, dass man sich als Leser über die vielen, für das Wodkasaufen in Moskau verschwendeten Seiten noch nachträglich ärgert.

 

1* miserabel - Bories vom Berg - 9. Oktober 2017

 

 

© Copyright 2017

 

SUM

Stimme dieser Rezension voll zu. Es ist ein ärgerliches Buch, voll Eitelkeit und Machotum. Ich finde nicht mal die Sprache besonders gelungen, weil sie -- wenn sie wirklich mal gut sein sollte -- von dieser eitlen Erzählpose infiziert wird. -- Und übrigens Herr Falkner (wir geben uns ja gern besonders gebildet, nicht wahr?): Gucken Sie mal in Ihr Lateinbuch (sofern sie es jemals gelernt haben) und dann gucken sie auf S. 140 . Es heißt "Cave Canem" und nicht "Cane Cavem" -- Vorsicht vor dem Hund. Der Autor ist allerdings so belanglos, dass man sich nicht in acht vor ihm nehmen muss.

 

Zurück

A

 

     Autoren     Buchtitel