

GABRIEL GARCIA MÁRQUEZ
DIE LIEBE IN DEN ZEITEN
DER CHOLERA
Die schönste
Liebesgeschichte der Welt
Weltbekannt durch den Roman »Hundert Jahre Einsamkeit«,
danach 1982 prompt mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt, hat der kolumbianische
Schriftsteller Gabriel García Márques 1985 den nicht minder grandiosen
Liebesroman mit dem neugierig machenden Titel »Die Liebe in den Zeiten der
Cholera« folgen lassen. Ich habe beide Bücher gelesen
und finde den drei Jahre nach der Preisverleihung erschienenen Liebesroman, um
den es im Folgenden geht, mindestens ebenso nobelpreiswürdig. Es ist dies ein
sehr romantischer Roman über eine Liebe zwischen Mann und Frau, die sich über
die Zeit und alle Hindernisse hinwegsetzt und erst nach unvorstellbar langer
Wartezeit von mehr als fünfzig Jahren ihre Erfüllung findet. Man kann das Buch
als eine Allegorie für den abstrakten Begriff der Liebe verstehen, die nach der
Lektüre rational fassbarer wird. Denn es gelingt dem Autor, das Phänomen Liebe
mit seiner bildhaften, wunderschön klaren Sprache feinfühlig und phantasiereich
darzustellen und zu konkretisieren. Und nicht nur das, Garcia Márquez widmet
sich dem gesamten Thema der Liebe zwischen den Geschlechtern sehr gründlich, in
allen seinen reichlich vorhandenen Facetten.
Da ist zunächst die unschuldige
Verliebtheit der beiden Protagonisten, die zickige, unnahbare Hermina und der
tollpatschige, verrückt-romantische Florentino, denen die unheilvolle
Statusversessenheit des Vaters, seine Hoffnung auf eine gute Partie für seine
Tochter, jedwede Chance auf eine gemeinsame Zukunft verbaut. Ebenso wird das
Wachsen der Liebe in der Vernunftehe Herminas mit der ersehnten guten Partie
geschildert, einem angesehenen Arzt, der sich nach der Hochzeit bei der
Entjungferung als ungewöhnlich einfühlsamer, behutsamer Liebhaber erweist und
nicht zuletzt damit das Herz seiner Frau gewinnt, unbeirrbar und für ein ganzes
Leben lang.
Geschildert werden aber auch
diverse eher liebesferne Sexabenteuer des verschmähten Protagonisten Florentino,
der noch im hohen Alter selbst vor einer ihm anvertrauten 14jährigen Verwandten
nicht haltmacht. Er ist ein Macho, der seine Liebschaften wie ein Buchhalter
dokumentiert, 622 an der Zahl, und dabei mag manchmal sogar auch Liebe im Spiel
gewesen sein. Márquez erzählt vom prallen Leben in der Karibik, ohne je anstößig
zu werden, aber er schreibt alles das aus einer unverkennbar männlichen Sicht.
Amüsant ist es trotzdem! Sogar dass zwischen Mann und Frau auch eine reine
Kameradschaft möglich ist wird glaubwürdig erzählt, eine Farbige erweist sich
als Glücksfall für die Firma des Onkels von Florentino und wird zur echten
Freundin, die er aufrichtig liebt, ganz ohne Sex. Und schließlich wird das
heikle Thema der Altersliebe einschließlich später sexueller Erfüllung äußerst
subtil erzählt, wenn sich die Protagonisten endlich näher kommen, sich mit
faltigen Händen berühren, sich an ihren verwelkten Körpern laben, ohne dass es
peinlich wird für den Leser.
Florentinos Liebe grenzt an
Obsession, ob da nun von wahrer Liebe erzählt wird in diesem Roman oder von
einer psychischen Störung, das sei dahingestellt. Máquez erreicht durch
Rückblenden, durch eine sehr geschickt aufgebaute, nicht chronologisch erzählte
Handlung eine Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite gefangen hält. Auf
dem Weg dorthin erfährt man viel über das Leben im postkolonialen Kolumbien,
wird mit allerlei genüsslich erzählten Begebenheiten und Ereignissen unterhalten
und mit diversen Personen konfrontiert, ohne dass man den Überblick verliert,
ganz einfach weil der Autor sie sehr einprägsam beschreibt und immer deutlich
zuordnet, man findet sich bestens zurecht. Alle diese Menschen werden einem
schnell sympathisch, wie der Fotograf am Anfang oder der Kapitän am Schluss des
Romans, um nur zwei zu nennen. Und der Kapitän ist es dann auch, der die
Cholerafahne aufzieht als Metapher für eine Liebe, die der Welt total entrückt
ist.
5* erstklassig
- Bories vom Berg - 16. November 2012

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