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THOMAS MANN

 

DOKTOR FAUSTUS

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Thomas Mann - Doktor FaustusIch kann es kaum erwarten

 

Im Olymp der deutschsprachigen Dichtung hält Thomas Mann, völlig berechtigt und auch unangefochten, von niemand Jüngerem erreicht also seither, einen Spitzenplatz ein. Außer ihm tummeln sich dort oben noch, meiner ganz persönlichen und sicherlich anfechtbaren literarischen Rankingliste zufolge, der ihm zeitlich vorausgehende, von ihm hochgeschätzte Theodor Fontane, und natürlich Goethe als literarischer Gigant. Während sich Manns Ruhm weitgehend, im Falle des Nobelpreises von 1929 sogar explizit, auf die 1901 erschienenen «Buddenbrooks» gründet, wurde sein als leichter lesbar beurteilter und damit von einer größeren Leserschar goutierbarer Roman «Der Zauberberg», 1924 erschienen, von der schwedischen Jury ganz bewusst nicht geehrt. Beide Romane habe ich vor vielen Jahren mit großer Freude gelesen, den Autor dann aber aus dem Blick verloren, bis ich kürzlich auf den «Doktor Faustus» stieß, das letzte bedeutendere Werk von Thomas Mann, sein im Jahre 1947, also gut viereinhalb Jahrzehnte nach den «Buddenbrooks» erschienenes Alterswerk.

 

Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte ich der Fülle von gescheiten, fachkundigen Analysen und Besprechungen dieses großartigen Romans etwas hinzufügen. In diversen Essays und Aufsätzen, in literaturwissenschaftlichen Magisterarbeiten und Promotionen ist alles gesagt, natürlich auch zum Inhalt, all das leicht nachlesbar im Internet und in jeder gut bestückten Bibliothek. Meine Absicht ist vielmehr, dem heutigen Leser Mut zu machen, sich an diesen gewiss sehr anspruchsvollen Lesestoff heranzuwagen. Und, das muss besonders betont werden, dann auch durchzuhalten, die Lektüre also nicht nach fünfzig Seiten schon wieder abzubrechen, wie das der zeitgenössische, folglich also schnell ungeduldige, weil total reizüberflutete Romanleser, nicht gerade selten tut, was ich den allenthalben veröffentlichten Laienkritiken immer wieder erstaunt entnehme. Action nämlich bietet dieser Faustroman nicht, wobei in der Handlung eine gewisse Dramatik und eine sich zum Ende hin stetig steigernde Spannung sehr wohl vorhanden ist. Aber auch hier ist wie so oft der Weg das Ziel, so gekonnt wie in diesem Buch ist noch kein mir bekannter Prosa-Autor mit der deutschen Sprache umgegangen, sprachsensible literarische Gourmets dürften ihre helle Freude daran haben.

 

Bei mir kam noch die Ehrfurcht hinzu, die der mystische Fauststoff generell auslöst, und dann natürlich auch die Neugier, wie denn Thomas Mann das Thema variiert hat. Vor allem im Vergleich mit Goethes Dichtung, dessen «Faust», stark von Dante beeinflusst und ihn teilweise plagiierend, ein sprachliches Fest ist für jeden empfindsamen Geist, für mich der Gipfel deutschsprachiger Dramatik, auf Augenhöhe mit dem großen Shakespeare. Im «Doktor Faustus» nun geht ein junger Komponist den Pakt mit dem Teufel ein und wird dadurch zum musikalischen Genie, was der Autor in sprachlich unübertrefflicher Weise und mit einem genial konstruierten Plot in Prosa umgesetzt hat. Wer wie ich musiktheoretisch absolut unwissend ist, wird hier aber bald total überfordert und braucht nun einiges an Geduld, wird jedoch nicht dümmer dabei, ganz im Gegenteil! Wie überhaupt mit diesem Roman durchgängig ein intellektuell äußerst anspruchsvoller Lesestoff vorliegt, der den Leser genau dadurch aber ohne Ende bereichert, en passant gewissermaßen, auch wenn er nicht immer alles bis in den letzten Wortsinn hinein versteht. Es wimmelt neben dem Musikalischen nämlich von kaum gebräuchlichen Fremdwörtern und epochebezogenem Vokabular, von Fachbegriffen verschiedenster Disziplinen, von philosophischen und historischen Anspielungen. Alles das, ich wiederhole es bewusst, macht den Leser nicht dümmer, spornt ihn vielmehr, wenn er sich seine Aufnahmefähigkeit denn bewahrt hat und geistig rege ist, seinen Horizont erweiternd zum Nachforschen, zum Mitdenken, aber auch zum Grübeln an.

 

Würde ich die vielen eingeklebten Merkzettel in meinem Buchexemplar hier alle abarbeiten, wäre der von mir selbst abgesteckte textliche Rahmen schnell weit überschritten, dann würde allein schon meine ausufernde Rezension potentielle Leser abschrecken, statt sie zu ermuntern. Denn genau das möchte ich hiermit tun: Dieses Leseabenteuer auf höchstem literarischem Niveau ist uneingeschränkt zu empfehlen, der Romancier Thomas Mann hat mit «Doktor Faustus» ein absolutes, zeitloses Sprachkunstwerk geschaffen, man sollte keinesfalls versäumen, es genüsslich und mit Bedacht zu lesen!

 

Und noch ein Nachwort sei mir erlaubt: Der Autor selbst hat seine Tagebucheinträge, Briefe und Notizen zu einem zwei Jahre später erschienenen weiteren Buch verarbeitet, «Die Entstehung des Doktor Faustus» mit dem Untertitel Roman eines Romans. Es versteht sich von selbst, dass dieses Buch schon neben mir liegt, während ich diesen Text hier schreibe, es wird meine nächste Lektüre sein, - ich kann es kaum erwarten!

 

5* erstklassig - Bories vom Berg - 15. April 2013

 

 

© Copyright 2013

 

® Schriftliche Danksagung eines Lesers

 

rosa mund

mit verlaub, wenn man auch vielleicht den "erwählten" nicht als bedeutend ansieht (aber das ist ein großartiger roman, dessen plot schon hier im faustus steht, nämlich die gar schauerliche geschichte von papst gregor, geschrieben in einem wie ich finde wundervollen altertümlichen stil, sprachlich einfach genial) so doch aber den "felix krull", der doch als ein bedeutender deutscher schelmenroman gelten kann und von thomas manns bis ins hohe alter erhalten gebliebenem humor kündet! zu erwähnen sei doch auch die novelle "die betrogene" - alles das literarische werke, die nach dem "faustus" entstanden! ansonsten stimme ich ihnen voll zu.

mfg

 

Antwort

Vielen Dank für Ihre interessante Anmerkung. Im Roman zum Roman, «Die Entstehung des Doktor Faustus», hat sich Thomas Mann explizit geäußert, damals war, für ihn jedenfalls, der «Doktor Faustus» sein bedeutendstes Werk. Sicherlich ist auch der «Felix Krull» auf seine Art ein bedeutendes, leider ja Fragment gebliebenes Werk dieses Autors, da stimme ich Ihnen gerne zu, aber hat es einen Rang wie «Buddenbrooks», «Joseph», «Zauberberg» oder eben «Doktor Faustus», jene Werke, die ich mit der Steigerungsform «bedeutendere» bezeichnet habe? Und ich meinte damit keineswegs die Seitenzahl!

 

rosa mund

vielen dank für ihre hinweise. ich oute mich als eine, welche die buddenbrooks als bedeutend besser lesbar hält als den zauberberg, durch den ich mich beim ersten lesen deutlich gequält habe, während die buddenbrooks zu meinen absoluten lieblingsbüchern zählt, vielleicht daher die affinität zum krull? toll, wie verschieden gute literatur wirken kann, nicht wahr?

lg

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A

 

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