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Jedem das Seine
Zum ersten Mal nach acht Jahren als eifriger Rezensent erreichte mich vor einiger Zeit per E-Mail überraschend folgende Anfrage:
Es sind dann drei Sterne geworden, was lesenswert bedeutet bei Ortaia.de und bei Literaturzeitschrift.de, nicht schlecht bei Amazon.de und gut bei Buecher.de, - eine durchschnittliche Bewertung also. Als die Rezension veröffentlicht war, habe ich Autor*in xyz darüber informiert, seither aber nichts mehr gehört von dort, es gab keinerlei Reaktion, kein Dankeschön, nichts! Und wie es der Zufall will, erreichte mich nicht lange danach noch mal eine gleichartige Anfrage. Die Inhalts-Beschreibung auch dieses Romans erschien mir vielversprechend, vorsorglich habe ich aber ausdrücklich auf meine Auswahlliste für fünf Sterne hingewiesen, ich lerne ja dazu! In der Antwort hieß es, man sei sich darüber im Klaren, das eigene Buch beispielsweise nicht mit der «Schachnovelle» vergleichen zu können. In diesem zweiten Fall konnte ich dann sogar vier Sterne vergeben, das Buch war für mich eine durchaus erfreuliche Lektüre. Die Reaktion aber war die gleiche, beredtes Schweigen!
Was ja nicht verwunderlich ist, denn es gibt wohl keinen Autor auf der ganzen Welt, der sein jeweils neuestes Buch nicht für das allerbeste hält. Alles unter fünf Sternen grenzt da schon an Majestätsbeleidigung, man sieht sich in einer Liga mit den Großen der Weltliteratur, mit Flaubert, Tolstoi, Musil, Faulkner, Saramago, Joyce, Fontane, Proust. Auf Ortaia.de liegt der Anteil von Fünf-Sterne-Rezensionen bei ca. 15%, es ist eben nicht alles erstklassig! Auch Marcel Reich-Ranicki hat sich ja öfter mal über die mimosenhafte Empfindlichkeit von Schriftstellern mokiert. Einer von ihnen, Martin Walser, hat sich dann bekanntlich mit einem Roman an ihm gerächt, Tod eines Kritikers. Walser war es auch, der die Kritiker allesamt bei einem Treffen der Gruppe 47 wutschnaubend mal als Lumpenpack bezeichnet hat. Man eckt also in jedem Fall an in Autorenkreisen, wenn man nicht jedes Buch als erstklassig, gefällt mir sehr oder ausgezeichnet beurteilt, wenn man also weniger als fünf Sterne vergibt. Das sei an dieser Stelle einfach mal kundgetan. Und dass die Leser als letzte Instanz den Wert eines bestimmten Buches teilweise dann auch noch ganz anders sehen, das liegt ja wohl ebenfalls in der Natur der Sache. Suum cuique!
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