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Kritik der Kritiker
Wer Bücher schreibt, literarische zumal, der will möglichst auch gelesen werden, eine Binsen-Weisheit. Und selbst Tagebuch-Schreiber rechnen oft mit Lesern, wenn auch mit wenigen oder erst posthum, Anne Frank ist ein beredtes Beispiel dafür. Zwischen Autor und Leser sorgt bekanntlich, abgesehen von Formen des Self-Publishing im Printformat oder als E-Book, ein Verlag für die materielle Verbreitung. Der ist natürlich ökonomischen Zwängen unterworfen, er lebt vom Verkauf seiner Ware, dem Buch. Dabei hilft ihm, und jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, außer den verschiedensten eigenen Werbe-Maßnahmen auch eine möglichst wohlwollende Buchkritik. Neben das früher dominante Feuilleton hat sich im Online-Buchhandel inzwischen eine Laien-Kritik in Form von Kommentaren etabliert, die dann immer auch die hotelübliche Sternebewertung beinhalten.
Leider werden diese Kritiken im Schutz der Anonymität zuweilen auch böswillig missbraucht, aber das ist gottlob die Ausnahme. Nun stellt sich die berechtigte Frage, wer liest denn eigentlich all diese Laien-Kommentare mit ihrem Sterne-Ranking? Eines kann man sicher sagen, sie haben deutlich mehr Leser als das Feuilleton, das für ‹Otto Normal-Leser› meist viel zu hochgestochene Buch-Besprechungen liefert, die mit ihren oft blumigen Formulierungen zudem fast immer auch viel zu vage bleiben. Eine Sterne-Bewertung hingegen, so sehr man sich auch über sie streiten kann, muss konkret bekennen und auch begründen, was sie von einem Buch hält. Genau das macht sie ungleich nützlicher, da muss immer Ross und Reiter genannt werden. Dass in diesen Laien-Kritiken manchmal auch viel Blödsinn geschrieben steht, sollte dabei nicht weiter stören. Denn es gibt viel öfter ganz ausgezeichnete Kritiken von Leuten, die sich offensichtlich auskennen, man merkt das ja schon nach wenigen Zeilen und kann sehr leicht die Spreu vom Weizen trennen!
Interessant ist zudem die Frage, wann denn diese Online-Rezensionen eigentlich gelesen werden, vor oder nach dem Kauf, vor oder nach erfolgter Lektüre? Meinen Erfahrungen nach, und viele Kommentare lassen das auch deutlich erkennen, ziemlich oft erst nach der Lektüre! Man will sich vergewissern, ob die eigene Meinung auch von anderen geteilt wird. Und wehe wenn nicht, dann nämlich wird die Rezension von empörten Kommentaren begleitet, ich weiß, wovon ich rede! Aber das liegt nun mal in der Natur der Sache, selbst die Profis im Feuilleton sind sich ja meistens auch nicht einig.
Klappentexte und Zeitungs-Zitate auf dem Buchrücken zeigen, dass in der Branche ganz offensichtlich Hand in Hand gearbeitet wird. Die Verlage zitieren auszugsweise aus dem Feuilleton führender Medien, denn selbst in negativen Buchbesprechungen findet sich immer wenigstens ein positiver Halbsatz, der werbewirksam verwendet werden kann. Und eine Jubel-Rezension wird dann auch gern schon mal mit großzügigen Anzeigen belohnt. Solchen ökonomischen Zwängen unterliegen die Laien-Rezensenten nicht, deshalb kann man die veröffentlichte Kritik der Leserschaft auch gar nicht hoch genug einschätzen. Und daran ändern auch die unvermeidlichen, zuweilen sogar auf trickreiche Weise entlohnten Claqueure nichts, die eilfertig ihre 5-Sterne-Rezensionen abliefern, meist unmittelbar nach dem Erscheinen des Buches. Das lässt sich bei Amazon übrigens leicht nachprüfen, indem man nämlich mal die Sortierung der Rezensionen auf ‹Neueste zuerst› umschaltet und dann ganz nach unten scrollt, zu den ältesten Rezensionen. Die haben komischer Weise fast alle fünf Sterne. Honi soit qui mal y pense!
Leider findet man kaum mal einen Buchblog, der ebenfalls wirklich bewertet, also Bücher konkret mit Sternen benotet. Trotz aller Zweifel, von denen hier schon die Rede war, halte ich solche Benotungen allerdings für essentiell, - und handle mir damit so manche Kritik meiner Leser ein. Sämtliche Rezensionen mit Leser-Kommentaren sind in den Bücherlisten auf Ortaia.de hinter dem Buchtitel mit einem Hashtag # markiert, und wer die mal durchklickt, wird feststellen, dass es da gottlob auch viel Zustimmung gibt. Alle Kommentare aber, negative wie positive, sind letztendlich das Salz in der Suppe des Rezensenten. Der sich ja, genau wie die Autoren auch, darüber freut, dass er gelesen wird, dass jemand seinen Gedanken folgt. Wie Sie jetzt eben!
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